Russische Freunde
verstehst du? Was wollten Perren und Padun von Juri? Warum interessieren sie sich für seine Wohnung? Weshalb beobachten sie mein Haus?»
«Ich weiss es wirklich nicht, und ich will es auch gar nicht wissen. Ich habe damit nichts zu tun. Wenn Padun jetzt merkt, dass ich und das Auto weg sind … Er wird denken, ich habe es geklaut. Du musst sofort das Auto zurückbringen. Und Perren darf nicht wissen, was ich erzählt habe.»
Jetzt duzte er mich also.
«Was haben Perren und Padun mit dem Tod von Juri Salnikow zu tun?»
«Das weiss ich doch nicht. Diese Geschichte ist mir zu heiss. Ich war nur mit Padun unterwegs, weil Padun heute nach Leuk zurückfahren wollte und mir angeboten hatte, mich mitzunehmen. Aber dann kam ein Anruf von Perren, und Padun musste zuerst nach Bümpliz, um dort etwas zu erledigen.»
Vor mir hatte Dubach keine Angst, aber Padun und Perren schienen ihn zu beunruhigen, selbst in seinem drogengedämpften Zustand.
«Um was geht es? Was wollen die?»
«Das sagen sie mir doch nicht. Sie haben ein Problem, das habe ich begriffen. Sie sind selber unter Druck.»
«Aber du weisst nicht, um was für ein Problem es sich handelt?»
«Keine Ahnung. Sie suchen etwas.»
«Warum hast du denn bei der Tankstelle gewartet und das Haus beobachtet?»
Dubach stöhnte.
«Padun hat das Auto abgestellt und mir gesagt, ich solle warten. Ich könne in der Zwischenzeit ja ein bisschen schauen, was sich in dem Haus so alles tut.»
«Und wo ist Padun hingegangen?»
«Weiss ich nicht, habe ich nicht aufgepasst, aber ich glaube, er ging in das Haus rein.»
«Und was hat sich in dem Haus getan?»
«Nichts, gar nichts.»
Es hatte keinen Sinn, wir drehten uns im Kreis. Perren zahlte den Jungen ab und zu für Handlangerdienste, das war alles.
«Was machst du jetzt, wenn ich dich laufen lasse?», fragte ich ihn. Denn früher oder später würde er Padun oder Perren in die Arme laufen, und sie würden wissen wollen, weshalb er von der Tankstelle abgehauen war. Dann würde Dubach von mir erzählen, dass ich ihn gezwungen hatte, wegzufahren und dass ich ihn ausgefragt hatte. Das was ungünstig. Aber Dubach hatte selbst keine Lust, ihnen zu begegnen. Deshalb war er ziemlich schnell dazu bereit, für ein paar Wochen zu verschwinden. Er hatte Freunde in Dijon, die er besuchen konnte, vorausgesetzt, ich bezahlte die Reise. Und ich musste ihm versprechen, das Auto so schnell wie möglich zur Tankstelle zurückzubringen.
«Dann mach mich jetzt los», schnauzte er, «ich muss dringend pissen.»
Das wollte ich auch tun, ihn losbinden. Die Schwierigkeit war nur, dass ich weder eine Zange noch eine Schere hatte, um die Kabelbinder zu lösen. Ich durchsuchte zuerst meine Taschen und dann die verschiedenen Fächer des Autos in der Hoffnung auf ein geeignetes Werkzeug. Dubach sah mir ziemlich entsetzt zu, sagte aber nichts. Er hatte genau begriffen, wonach ich suchte. Falls ich ihn nicht losbekam, konnten wir auch nicht zurückfahren, er war ans Lenkrad gekettet. Vielleicht gab es im Kofferraum Werkzeug. Ich stieg aus und ging nach hinten, es nieselte, der Regen tropfte mir in den Nacken.
Ich öffnete den Kofferraum.
«Was ist das für eine Reisetasche?», rief ich nach vorne.
«Von Padun vermutlich. Es ist sein Auto», antwortete Dubach.
Ich kramte in der Reisetasche herum und fand, neben Hemden und Kleidung, ein Necessaire, in dem sich eine kleine Nagelschere befand. Weil ich schon grad dran war, durchsuchte ich die Reisetasche bis zum Boden. Ganz unten, eingewickelt in ein Frotteehandtuch, war eine Pistole. Ich steckte sie ein, schloss Tasche und Kofferraum und ging nach vorne.
Dubach schlug vor, nach Neuchâtel zu fahren, wo er den Zug nach Frankreich nehmen konnte. Wir vertraten uns die Füsse und fuhren dann los, er am Steuer und ich daneben. Ich wollte ihn im Auge behalten. Er war sehr still während der Fahrt, wir sprachen kaum. Schlimm fand ich den Duft nach Fichtennadeln, irgendwann riss ich das Tannenbäumchen vom Rückspiegel, öffnete das Fenster und schmiss es hinaus. In Neuchâtel kaufte ich ein Bahnticket nach Dijon, dann liess ich Dubach auf dem leeren Bahnsteig zurück, es würde noch dauern bis zum ersten Zug morgen in der Früh.
Ich selbst fuhr mit dem Auto zurück nach Bern und brachte es zur Tankstelle, die inzwischen natürlich geschlossen hatte. Die Zeitungsständer waren weggeräumt worden, im schwachen Licht der Reklame erkannte ich den Plastiksack mit meinem Einkauf wieder. Er lag immer noch
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