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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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eine junge Frau drängten an mir vorbei. Ich musste ihnen ausweichen und rempelte eine Person hinter mir an. Mich entschuldigend, drehte ich mich um.
    Es war Gussew. Der kahle Kopf, die blassen Augen. Grigori Gussew, CEO bei AdFin. Gussew sah mich an. «Entschuldigen Sie bitte», hatte ich bereits im Umdrehen gesagt. Aber Gussew sah reaktionslos durch mich hindurch, schien mich gar nicht wirklich zu bemerken. Er schob sich an mir vorbei, ebenfalls zum Ausgang hin. Fassungslos sah ich ihm nach. Seine riesigen Hände baumelten überproportioniert an seiner langen Gestalt, und nun sah ich auch Perren wieder, der sich in Gussews Schlepptau zur Tür bewegte. Ob Perren mich gesehen hatte, wusste ich nicht.
    Um die Limousine aus Genf hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet. Der umworbene ältere Herr war nicht ausgestiegen, hatte nun aber auf seiner Seite die Tür geöffnet. Sitzend sprach er mit der Galeristin, die ihm etwas reichte, möglicherweise eine Visitenkarte. Die beiden jungen Leute waren auf der Gegenseite hinten in das Auto eingestiegen, und auch Gussew setzte sich in den Wagen, vorne neben den Fahrer.
    Das Ganze dauerte nicht lange. Der ältere Herr verabschiedete sich von der Dame, zog die Wagentür zu und die Limousine fuhr davon. Die Traube löste sich auf, einige Leute, darunter die Galeristin, kamen zurück. Perren hatte ich aus den Augen verloren, und er betrat die Galerie nicht mehr. Ich nahm an, dass er davongegangen war.
    Ich sah mich um nach der betagten Dame, die immer noch in meiner Nähe stand. Sie sah aus wie eine langjährige, gute Kundin der Galerie, und vielleicht kannte sie den Herrn, der da vorgefahren war. Ich begann ein Gespräch mit ihr, und wie erwartet klagte sie über die Enge und die schlechte Luft. Wohlerzogen bot ich an, einen Stuhl zu suchen. Das war nicht nötig, weil sie dann sowieso lieber bald einmal gehen wollte, meinte sie. Sie erkundigte sich, wahrscheinlich wegen meiner schlechten Kleidung, ob ich Künstlerin sei. Ich verneinte und fragte sie im Gegenzug, ob sie den Herrn aus Genf kannte.
    «Ist er ein berühmter Künstler?», begründete ich meine Neugier. Sie wollte wissen, wie ich auf die Idee kam. Ich sagte ihr, dass er sehr umworben schien von den anderen Gästen der Galerie.
    Sie musste lachen, leise meckernd, wie alte Frauen lachen, aber gleichzeitig sehr respektlos: «Fürs Geld, wissen Sie, fürs Geld. Umworben fürs Geld, für seine Kultur – wohl weniger.»
    Sie hob abschätzig ihre fein gezupften, nachgezogenen Augenbrauen.
    Sie kannte den Mann tatsächlich, er war ein guter Kunde der Galerie, erfuhr ich, ein sehr vermögender Kunde, ein Russe namens Jaschin, der ihres Wissens normalerweise in Israel lebte. Und die Dame, die mit ihm gesprochen hatte, war tatsächlich die Besitzerin der Galerie.
    Auf ihre Bitte hin holte ich der Dame den Mantel, sie wollte nun wirklich gehen, und gemeinsam verliessen wir den überfüllten, heissen Raum. Ich war nicht einmal dazu gekommen, einen Blick auf die Bilder zu werfen. Moderne Kunst? Landschaften? Porträts? Kunst, die ihren Preis hatte, nahm ich an.

22
    Es war kurz nach siebzehn Uhr, als ich bei Petar klingelte. Seit Tagen rief er an und wollte mich treffen. Petar lebte in einem modernen Hochhaus im siebten Stock. Er öffnete die Tür und brachte mich, begleitet von einem Redeschwall, geradewegs zu einem kleinen Raum, der sich als Toilette entpuppte. Ich war ziemlich überrumpelt und wusch mir ratlos die Hände. Als ich wieder rauskam, führte mich Petar, der vor der Tür gewartet hatte, ins Wohnzimmer, und liess dabei meinen Arm nicht los. Aufgeregt sprach er auf mich ein, wie wichtig er es fand, dass wir uns trafen, wie gut, dass ich endlich hier war. Bisher war ich noch nicht dazu gekommen, etwas zu sagen.
    Schliesslich sassen wir nebeneinander auf einer Couch, und sein Redeschwall war versiegt. Ich fand, dass er ziemlich viel Platz brauchte auf der schmalen Couch, aber vielleicht war es einfach ich, die mehr Abstand wollte. Einen Moment lang schwiegen wir beide.
    Ich sah mich um. Ein beiger Teppich mit bläulichen und roten Blumen, die wuchtige Sitzgruppe aus hellbraunem Lederimitat, eine Lampe mit einem goldig-staubigen, gewellten Stoffbezug. Die Wohnung war geräumig. Petar war allein zu Hause, aber ich wusste, dass er Familie hatte und Vater dreier Kinder war. Es war sehr still in der Wohnung. Petar bot mir Tee an und verschwand in der Küche, nach einiger Zeit kam er mit heissem Wasser und einem Beutelchen

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