Russische Freunde
getan hätte, wenn die Autotür abgeschlossen gewesen wäre. So aber setzte ich mich einfach auf den Beifahrersitz, neben den jungen Kerl. Ich zeigte ihm die Pistole, die ich in meinem Schoss in der Hand hielt. Er sah mich ziemlich überrascht an. Ich sagte ihm, er solle losfahren. Erstaunlicherweise folgte er mir.
Er tat, was ich sagte, fuhr aus Bümpliz hinaus. Mit tonloser Stimme gab ich knappe Befehle und sass, ohne mich zu rühren. Jede Bewegung hätte meine Angst verraten. Der Typ sagte nichts und starrte vor sich hin auf die Fahrbahn. Hinter Frauenkappelen befahl ich ihm, links in einen grossen Wald zu fahren. Bisher hatte der Kerl unbeteiligt gewirkt, jetzt wurde er unruhig und sah mich ein paar Mal von der Seite an, während das Auto über einen Kiesweg holperte. Ich nahm die Waffe in beide Hände, zur Sicherheit. Auf einem Parkplatz befahl ich ihm, stehenzubleiben und mir den Autoschlüssel zu geben. Er tat es.
Dann fand er seine Sprache wieder: «Was …?»
«Die linke Hand», unterbrach ich ihn. Ich öffnete die Autotür, um auf meiner Seite mehr Raum zu haben, die Innenbeleuchtung ging an. Er blickte mir verständnislos entgegen. Beinahe vertrauensvoll. Ich reichte ihm einen Kabelbinder. Er nahm ihn mit spitzen Fingern.
«Die linke Hand ans Lenkrad binden», meine Stimme überschlug sich. Das überzeugte ihn. Er zurrte das Band fest. Die zweite Hand übernahm ich selber, die Pistole griffbereit rechts von mir auf dem Sitz. Dann durchsuchte ich ihn, mied dabei seinen halb benebelten, halb verwunderten Blick. Ich fand ein Handy und eine Brieftasche, und natürlich auch Zigarettenpapier, ein Feuerzeug, verschiedene Tabletten. Der Typ nahm Drogen, so etwas hatte ich schon vermutet. Im Handschuhfach lagen die Autopapiere, der Wagen gehörte einem Alfons Padun. Der junge Mann hiess, laut Ausweis in seiner Brieftasche, Thomas Dubach, das Auto war also nicht seines. Ich fragte mich, wo Alfons Padun, der Besitzer des Wagens und vermutlich einer meiner Verfolger aus Leukerbad, jetzt war.
In der Seitentür steckte eine Stablampe, ich schaltete die Deckenbeleuchtung wieder aus und richtete die Taschenlampe auf meinen Gefangenen. Seine Pupillen waren tellergross, trotz Lichtstrahl, den ich auf ihn richtete.
«Ich möchte, dass du jetzt genau erzählst, was in Leukerbad geschehen ist, in der Nacht, als Juri Salnikow starb.»
Er drehte seinen Kopf zu mir hin, obschon ihn das Licht blendete. Ich sah kleine Schweissperlen auf seiner Oberlippe, also hatte er doch Angst. Er sagte nichts, blinzelte nur mit den Augen gegen das Licht an und schien zu überlegen. Ich nahm den erstbesten Gegenstand, den ich zur Hand hatte und schmiss ihn gegen seinen Kopf. Es war sein eigenes Portemonnaie gewesen, es landete auf seinem Schoss und er blickte perplex darauf hinunter. Ich nahm es wieder an mich.
«Also?»
«Was wollen Sie? Was soll ich erzählen?»
Seine Stimme klang dünn und ich bemerkte, dass die Adern auf seinen Händen bereits angeschwollen waren. Die gefesselten Hände zwangen ihn in eine unbequeme Position, obschon er gross und breit gebaut war, sass er gekrümmt mit nach vorne gezogenen Schultern.
«Wo warst du? Was hast du im Bad gemacht?»
«Ich war nur kurz dort, im Zimmer des Masseurs. Ich war mit ihm, mit dem Portugiesen. Er hat mir Handtücher gegeben, damit ich mich trocknen konnte. Ich bin im Regen nach Leukerbad hoch gelaufen.»
«Und dann?»
«Er musste das Bad abschliessen. Deshalb ging er, und ich bin dann auch gegangen.»
«Hast du seine Schlüssel gestohlen?»
«Nein, wieso sollte ich?»
«Warum bist du abgehauen?»
Der Typ schwieg.
«Jemand hat dir den Auftrag gegeben. Von wem hattest du den Auftrag?»
Er antwortete nicht.
«Wer hat dich beauftragt?»
Er blieb stumm. Ich nahm mein Natel aus der Tasche und begann, darauf herumzudrücken. Ich tat so, als ob ich irgendwo anrief, hielt mir das Natel ans Ohr.
«Ich nehme an, du bist dir im klaren darüber, dass es um einen Mordfall geht und dass du und der Bademeister als einzige zum Tatzeitpunkt im Bad waren. Pereira konnte sich entlasten, eigentlich kommst nur noch du als Täter in Frage. Ich rufe jetzt die Streife an, wir vernehmen dich auf dem Polizeiposten. Dir blüht eine Anklage wegen Mord.»
Lächerlich, flüsterte es in meinem Kopf. Ridicule.
«Ich habe den Toten gar nicht gesehen. Nie. Weder lebendig, noch tot.»
Ich wartete. Er sollte reden. Vermutlich hielt er mich jetzt für eine Polizistin. Allerdings nur, wenn ihm
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