Russische Freunde
hatte mich bei der Kanderbrücke eingeklemmt. Ein weisses Auto hatte, als der Mann den Müllcontainer über den Platz zog, hinter dem Restaurant gestanden.
Ich musste hier weg. Ich startete den Motor. Jetzt raste ich, raste bewusst, jenseits allem Erlaubten, mit ständigem Blick in den Rückspiegel. Mehr als einmal glaubte ich hinter mir ein weisses Auto zu sehen, und ich fuhr dann noch schneller.
Planlos wählte ich irgendwann die Autobahn in Richtung Bern und dann Zürich. Je dunkler es wurde, umso weniger konnte ich erkennen, wer hinter mir fuhr, ich sah nur noch Scheinwerfer, sie blendeten mich. Ich versuchte am Radio etwas Beruhigendes zu finden, aber jede Musik und alle Gespräche stressten. Dann sang ich, zuerst summte ich leise vor mich hin und schliesslich sang ich laut, was immer mir in den Sinn kam. Das half. Wie immer herrschte auf der Autobahn zwischen Bern und Zürich viel Verkehr.
Irgendwann hatte mich so weit beruhigt, dass ich wieder logisch denken konnte. Ich glaubte nicht, dass sie jetzt noch hinter mir waren. Trotzdem wollte ich das Auto, mit dem ich unterwegs war, loswerden. Sie kannten es. Am Flughafen in Zürich gab es bestimmt Mietwagenfirmen, die bis spät abends geöffnet waren. Weil ich sowieso schon fast dort war. Mit einem anderen Wagen konnte ich unerkannt zurück nach Bern fahren, auch wenn ich nicht wusste, wo ich dort hinwollte. Trotz allem nach Hause? In mein Büro? Möglich, dass sie über mein Büro Bescheid wussten. Mehr noch beschäftigte mich die Frage, weshalb mich eine Frau verfolgt hatte, ein Paar. Gehörten sie zur russischen Mafia, die ich hinter Juris Tod vermutete? Wer war die Frau? Führte die russische Mafia Frauen in ihren Rängen, als Killerinnen?
Am Flughafen Kloten stellte ich fest, dass ich bis zum nächsten Morgen warten musste. Alle Autoverleiher hatten bereits geschlossen. Fast noch schlimmer war der Moment, als ich auf dem Rücksitz meine Handtasche entdeckte. Das machte mich vollends fertig. Ich konnte mich nicht auf mich verlassen.
Im Flughafen waren zwar noch ein paar Geschäfte und Restaurants geöffnet, aber ich war zu erschöpft für alles. Ich suchte mir in einer Wartehalle einen ruhigen Winkel und schlief sofort ein. Als ich nach ein bis zwei Stunden erwachte, hatte sich die Halle geleert. Den Rest der Nacht döste ich im Halbschlaf in einem schalenförmigen Plastiksessel dem Morgen entgegen.
Ich wachte auf, als etwas gegen meine Füsse stiess. Eine dunkelhäutige Putzfrau entfernte sich gemächlich von mir weg, und ich hatte den Verdacht, dass sie mich absichtlich geweckt hatte mit ihrem Besen. Ich sah auf die Uhr und stellte fest, dass es bald fünf Uhr sein würde. Hinter den heruntergelassenen Läden einer Bar rumorte es.
Einige Zeit später erhielt ich problemlos einen Wagen, nachdem ich eine grössere Summe hinterlegt und mich ausgewiesen hatte. Nun hatte ich zwei Leihwagen, für die ich bezahlen musste, einen hier auf dem Langzeitparkplatz, und im anderen sass ich gerade. Den ersten Wagen liess ich stehen, wo ich ihn gestern abgestellt hatte. Es war mir egal.
33
Im Morgenverkehr kam ich langsam voran, und als ich endlich in Bern war, fuhr ich direkt zu meiner Mutter. Etwas Besseres fiel mir nicht ein. Sowieso hatte ich mich seit Tagen nicht mehr um sie gekümmert.
Zu meiner Überraschung öffnete meine Schwester die Tür.
«Du bist zurück aus den Ferien?», fragte ich, erstaunt, sie hier zu sehen.
Sie musterte mich. Ich wusste, dass ich schlecht aussah.
«Seit vorgestern. Ja, und Mama geht es gut. Du hast dich ja nie gemeldet in den letzten Tagen.»
Es fehlte wenig, und ich hätte losgeheult, ich war so erschöpft. Meine Schwester war ausgeschlafen, kam frisch aus den Ferien und machte mir Vorwürfe.
Mama freute sich einfach, mich zu sehen, alles andere war ihr egal. Ich war froh, dass meine Schwester keine Zeit hatte, länger zu bleiben. Vielleicht wollte sie ja gar nicht vorwurfsvoll sein, als sie mir zeigte, was sie alles eingekauft hatte, und als sie erklärte, welche Medikamente meine Mutter einnehmen sollte – dabei war ich ja selber dort gewesen, als der Arzt sie ihr verschrieben hatte. Ich war zu matt, um mich zu wehren.
Als sie gegangen war, sassen Mama und ich nebeneinander auf dem Sofa. Meine Mutter plapperte vor sich hin, heute störten mich ihre langatmigen Berichte nicht, ich döste. Ich legte meinen Kopf an sie, ihre Hand an meiner Wange, sie roch nach Nivea. Später assen wir etwas, Mutter wurde nach der Mahlzeit
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