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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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schmalen Steg unter der Autobahnbrücke über die Kander. Jetzt sind wir hier, zwischen den beiden. Da unten», sie wies, ohne sich umzudrehen mit dem Arm hinter sich und wirkte dabei sehr sachlich, «fliessen die beiden zusammen. Noch weiter unten ist die Brücke, unter der Tobias gefunden wurde.»
    Und was machen wir dann hier? Fragte ich nur mich. Es war mein Vorschlag gewesen, nach Wimmis zu fahren. Weil ich die ganze Zeit über eine falsche Brücke im Kopf gehabt hatte. Sie hatte mir nicht widersprochen. Ich blickte um mich. Ein monotones Hämmern drang von den Schrebergärten herüber, jemand war daran, seinen Garten wintersicher zu machen.
    «Du denkst, er ist gar nicht bis hierher gekommen?», fragte ich. «Weisst du, was das eigentlich für eine Fabrik ist?» Zwei Fragen auf einmal. Wir hatten lange geschwiegen.
    «Ich nehme an, die Nitrochemie. Eine Waffenfabrik», antwortete sie. Kein Wunder, liess sich das Gelände nicht so einfach betreten. «Und nein, ich glaube nicht, dass Tobias bis hierher kam. Er starb weiter unten.»
    Sie beugte sich noch einmal über ihre Zeichnung im Sand.
    «Hier ist die Brücke unter der Autobahn, wo wir eben gerade waren. Wenn wir weitergegangen wären, käme man in einen Wald, dann zu Sportplätzen. Dort im Wald waren die Spaziergänger, die Schreie gehört haben, oder einen Streit. Wir sind nicht so weit gekommen. Ich habe mir das alles im Google genau angesehen. Wegen dem Streit habe ich mir überlegt, ob es möglich wäre, dass Tobias von diesem Steg hier unter der Autobahn gestossen wurde. Und dass ihn dann das Wasser bis zur nächsten Brücke getragen hat. Dann hätte womöglich der Streit, der hier im Wald gehört wurde, doch etwas mit Tobias’ Tod zu tun gehabt.»
    «Aber sein Fahrrad lag doch in der Nähe der Brücke, wo er auch gefunden wurde?»
    «Ja, und jetzt, nachdem ich die Brücke hier gesehen habe, denke ich nicht mehr, dass Tobias hier gestorben ist. Der Steg liegt viel zu tief, ein Sturz wäre nicht tödlich.»
    «Und er ist bis weit hinauf vergittert.»
    «Das auch. Und der Fluss führt zu wenig Wasser.»
    Wir sassen im Auto, und ich studierte die Karte, um herauszufinden, wie ich am einfachsten zur unteren, zur richtigen Brücke kam. Ich hielt sie Bettina unter die Nase, wollte ihre Meinung hören. Sie hatte sich ja offensichtlich schon eingehend mit der Gegend beschäftigt, und sie hatte die ganze Zeit über genau gewusst, was sie hier wollte. Ich fuchtelte mit einem Bleistift auf der Karte herum, direkt vor ihrem Gesicht. Sie rutschte auf ihrem Sitz so weit nach hinten, wie es nur ging.
    «Ich möchte nicht mehr mitkommen», teilte sie mir mit, leise.
    Ich hatte sie nicht bedrängen wollen. Ich legte die Landkarte weg und startete den Motor. Bettina gurtete sich an. Ich bemerkte, wie ihre Hände leicht zitterten. Ich hatte mich schon wieder in ihr getäuscht. Am Abend im Wartesaal hatte sie sich mir anvertraut, heute war sie weit weg.

32
    Ich brachte Bettina mit dem Auto nach Hause und kehrte dann zur richtigen Brücke zurück, zu derjenigen, unter der Tobias gefunden worden war. Ein schmaler Gittersteg, hoch gelegen. Weit unten der Fluss, Felsbrocken, hohe Tannen auf beiden Seiten des Flusses. Wahrscheinlich verdeckten die Tannen von fast überall die Sicht auf die Brücke. Schwierig hinunterzufallen, ohne es zu wollen, die Geländer waren stabil. Möglich, hinunter gestossen zu werden, aber nur, wenn die Person überrascht wurde oder wenn die Angreifer zu zweit waren. Für einen Selbstmord eine durchaus vorstellbare Kulisse. Die Natur war überwältigend schön.
    Einen Moment lang erwog ich, zum Fluss hinunterzuklettern, liess es dann aber bleiben und setzte mich auf einen feuchten Baumstrumpf am Anfang der Brücke. Ich nahm an, das Fahrrad war hier irgendwo gefunden worden, Bettina hätte das vielleicht gewusst. Rechts neben dem Spazierweg stand ein Stapel aus aufgeschichtetem Brennholz, rostiges Wellblech deckte die Beige ab. Vergessen gegangene Arbeitshandschuhe lagen am Boden, völlig durchnässt vom Schnee der letzten Tage. Ich hob sie auf, ein Werbegeschenk der Beton AG in Münsingen. Die nassen Handschuhe behielt ich, als ich nachdenklich zum Auto zurückschlenderte. Ich war der Frage, was hier passiert war, nicht näher gekommen.
    Mein Auto hatte ich in der Nähe abgestellt, eine schmale Strasse führte von der Hauptstrasse zu ein paar Bauernhäusern und zu einer Schreinerei direkt neben der Brücke. Als ich wegfahren wollte, musste ich, um

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