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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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fragen, ist dann aber doch so klug, den Mund zu halten.
    Weiter vorn lädt Pappalardo seine Taschen in ein Taxi. Ich zeige durch die verregnete Windschutzscheibe auf ihn. »Bleib an ihm dran.«
    Wir folgen Pappalardos Taxi vorbei an den Panzersperren in die Innenstadt, wo er sich im National Hotel einquartiert.
    »Steig aus«, sage ich zu Nabi. »Beobachte ihn. Ruf mich an, wenn er das Hotel verlässt.«
    »K-k-klar, B-b-boss.«
    Ich zerre Posnowa mit zu mir nach vorn. Nachdem ich einen Blick auf ihre Hände geworfen habe, folgt sie mir ohne zu protestieren. Nabi guckt noch einmal in den Wagen. Wieder scheint er etwas sagen zu wollen, aber ich düse mit meiner verletzten Geisel ab, bevor er es kann.
    In den unteren Stockwerken des Hauses, in dem sich mein Loft befindet, arbeiten tagsüber Leute. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, sodass wir nicht weiter auffallen, als ich mit meiner Karte den Fahrstuhl rufe und wir in den angeblich leerstehenden sechsten Stock fahren. Ich kette Posnowa mit Handschellen an die Heizung, verabreiche ihr drei von Pappalardos Valium und ziehe mich in mein Schlafzimmer zurück.
    Im Bett tippe ich Peters Nummer in mein Nokia.
    »Hallo?«
    »Hier ist Volk.«
    Er räuspert sich. Mehr nicht, ein durchaus gewohntes Geräusch, aber es sagt alles. »Ich bring das Miststück um, du Scheißkerl.«
    »Warten Sie! So schlimm ist es nicht, Volk! Man kann mit einem Fuß leben. Wir haben es versucht, verdammt noch mal!«
    »Lassen Sie mich mit dem Arzt sprechen.«
    »Sie töten sie nicht!«
    »Geben Sie mir den Arzt.«
    Mehrere Minuten vergehen. Mir ist schwindlig und übel, ich bin den Tränen nah.
    »Hallo?«
    »Wann kann sie transportiert werden?«
    »In ein paar Tagen vielleicht.«
    »Geben Sie ihr etwas gegen die Schmerzen. Helfen Sie ihr, bitte.«
    »Ich tue mein Bestes«, sagt der Arzt leise.
    Ich schlucke zwei Ambien und lege mich ins Bett, voller Hass, und Bitterkeit, und noch mehr Hass.
     
    Valja schreit vor Angst: »Hilf mir! Oh, Gott, bitte hilf mir!« Sie zeigt sonst nie Angst, schon gar nicht so eine schreckliche Todesangst. Ich sitze sofort kerzengerade im Bett. Ich bin mit kaltem Schweiß bedeckt, mein Herz rast, meine Hand knallt auf den Griff der Sig.
    Und dann umhüllen mich die hohe Decke und der metallisch graue Stahl des Lofts mit vertrauter Sicherheit. Ich bin zu Hause. Zehn Stunden sind vergangen. Das leise Wimmern kommt von der Frau, die im anderen Raum an die Heizung gekettet ist. Ihr Schluchzen wird von einem schrillen Pfeifen unterbrochen. Jemand ist mit dem Fahrstuhl unterwegs nach oben.
    Ich springe aus den schweißdurchtränkten Laken und hüpfe ohne meine Prothese an Posnowa vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ein Monitor in der Küche zeigt verschiedene Bilder von außerhalb des Lofts. Auf einem davon ist Nabis schmutziges Gesicht zu sehen, das glupschäugig in die Kamera starrt. Ich lasse ihn rein.
    Ich habe nur Shorts an. Sein Blick haftet auf meinem nackten Stumpf, ein schockierender Anblick für Uneingeweihte, mit all den abgeschürften Narben, die an den Muskeln hoch bis zum Oberschenkel laufen.
    »N-n-nur eingecheckt«, sagt er. »Der T-t-typ hat keinen Fuß vor die Tür getan. Ich g-g-glaub, der hat’n Jetlag. Einer meiner M-m-männer ist an ihm dran.«
    Nabi gibt mir das Handy, reißt seinen Blick von meinem Stumpf los und verrenkt sich den Hals nach Posnowa. Trotz ihrer Todesangst teilt sie ihm mit ihrem Blick etwas mit, das ich nicht deuten kann, aber es ist ein bedeutungsvoller Blick, unübersehbar, wie ein Scheißhaufen in einer Kristallschale. Obwohl ich von zu langem Schlaf und den Medikamenten benebelt bin, nehmen die Schussfolgerungen aus diesem Blickwechsel allmählich Gestalt in meinem Kopf an.
    »Wir treffen uns in einer Stunde im Café«, sage ich zu ihm.
    Er wendet seinen Blick von ihr ab. »K-k-klar. Okay, Boss«, sagt er und geht rückwärts aus der Tür.
    Ich gieße Wasser in eine Schale und stelle sie in Posnowas Reichweite. Sie ist mit den Händen an die Heizung gekettet und wird schlecken müssen wie ein Hund, wenn sie trinken will. Ich wähle die Prager Nummer.
    Peter nimmt beim ersten Klingeln ab.
    »Volkowoj?«, fragt er. Er klingt atemlos.
    »Wie geht es Valja?«
    »Wann können wir den Austausch machen?«
    »Es gibt keinen Austausch. Ich lasse Posnowa gehen, wenn ich Valja habe.«
    »Das ist nicht fair. Wir tauschen Gleiches gegen Gleiches.«
    »Valja ist kein verdammtes Pferd, Peter. Und Sie haben sie zerstückelt,

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