Russisches Abendmahl
Mitesser und weichem Flaum. »Wann ist das passiert?«
»Heute morgen, zwischen sechs und sieben. Vorher und nachher ist hier zuviel los, für so etwas jedenfalls.« Er deutet auf die beiden und wackelt mit dem Schnurrbart. »Auch mit Schalldämpfer.«
Jemand hat die Soldaten Kugeln schlucken lassen. Soviel lässt sich anhand der Wunden sagen. Die beiden Löcher in den Kacheln hinter ihnen liegen tief, also saßen sie schon, als die Schüsse abgegeben wurden. Ich ziehe das Messer aus dem Versteck in meiner Prothese, ignoriere Dubinins musternden Blick und inspiziere damit die Löcher. Die Wand hinter den Kacheln ist aus Beton. Mit der Messerspitze hole ich beide Kugeln heraus. Sie sind groß genug, um aus Gromows 45er zu stammen. Aber wie soll Gromow in die Kaserne gekommen sein? Aus der Hocke reiche ich Dubinin die Kugeln.
»Haben Sie Zugang zu einem Labor?«
Er nickt.
»Kaliber und Fabrikat. Finden Sie heraus, wo solche Kugeln benutzt wurden.« Letzteres ist ein langwieriges Unterfangen. Russlands Strafrechtssystem ist bestenfalls antiquiert und es gibt kaum Berichte zum Abgleichen. Informationen werden wahllos gesammelt und nur selten zwischen den Vollzugsbehörden ausgetauscht - eine von vielen Altlasten einer postrevolutionären Polizei, deren Aufgabe es war, ausgewählte Staatsfeinde festzunehmen, statt normale Verbrecher aufzuspüren und zu verhaften.
Er nickt wieder.
»Hatten diese Männer den Auftrag, die Schätze in der Rüstkammer zu bewachen?«
Er tritt einen Schritt zurück. »Warum fragen Sie das?«
Sein Erstaunen wirkt echt. Ich denke nicht, dass er vom Diebstahl des Schah-Diamanten weiß oder von Gromows vereiteltem Plan, ihn erneut zu stehlen. Der General hat seinem geschätzten Hauptmann nicht alles verraten. »Beantworten Sie nur meine Frage«, sage ich zu ihm.
»Nein. Die Rüstkammerwache ist woanders untergebracht.«
Selbst wenn der General recht hat und ihr Tod etwas damit zu tun hat, dass sie Lipman in Uschhorod ausfindig gemacht haben, warum hätte man sie jetzt töten sollen, wo Lipman fotografiert und ihre Rolle in dieser Sache beendet ist? »Wer hat hier Zugang?«
Er zuckt mit den Achseln. »Zu viele, um sie aufzuzählen. Dies ist kein streng kontrollierter Bereich. Nicht mehr.«
»Dürfen Zivilisten rein?«
Er schüttelt den Kopf. »Nur militärische Besucher. Und sie müssen sich eintragen.«
»Besorgen Sie mir die Kasernenbücher.«
In einem handflächengroßen Notizbuch macht er sich wie ein Reporter eine Notiz.
»Besorgen Sie mir Kopien ihrer Einsatzbefehle der letzten zwei Monate.« Vielleicht erfahre ich aus ihren Anweisungen etwas darüber, warum sie getötet wurden. Vielleicht auch nicht.
Dubinin schreibt noch etwas in sein Büchlein.
Es gäbe noch einiges zu tun hier, ich weiß. Ein gutes kriminaltechnisches Team hätte sicher seine helle Freude daran. Aber ich glaube bereits zu wissen, wer dahinter steckt, wenn auch nicht warum. Und wieder verspüre ich einen Druck in meiner Brust, wie ein eng geschnürtes Stahlband, das mir sagt, dass irgendjemand die Fäden hinter all dem zieht.
Am selben Tag, kurz nach Einbruch der Dämmerung, warte ich in der Seitenstraße hinter Gromows Jaguarniederlassung. Eine torkelnde Prostituierte mit irrem Blick kommt auf mich zu. Der schlampig aufgetragene Lippenstift verwandelt ihr Grinsen in einen blutigen Schlitz. Ich schiebe sie weiter und gleite zurück in meine Nische in der Mauer. Sie schwankt noch immer die Straße entlang, als Gromows Mercedes SUV um die Ecke biegt und in meine Richtung donnert. Die Prostituierte wankt zur Seite und weicht dem anrauschenden Kühler aus. Er hält weniger als einen Meter entfernt von mir an. Gromow öffnet die Tür und klettert aus dem Wagen. Ein Schritt und ich bin bei ihm, stoße ihm den Lauf meiner Sig in die Rippen und dränge ihn zurück, bis ich neben ihm auf dem Rücksitz sitze. Sein Körper ist wie erstarrt. Der Fahrer sieht mich im Rückspiegel, grunzt und will sich umdrehen.
»Sag ihm, er soll weiterfahren.«
»Fahr weiter«, sagt Gromow heiser, und der Fahrer lässt den SUV anrollen.
»Gib mir deine Waffe.«
Gromow kämpft sich hoch, um mit der Hand unter seinen Mantel zu greifen. Er holt eine 40er Glock hervor und gibt sie mir.
»Nicht die. Den Colt.«
»Ich hab ihn nicht.«
»Wo ist er?«
Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen. Er leckt sich die Lippen. »Ich weiß es nicht.« Er sieht meinen finsteren Blick und streckt mir die Handflächen entgegen. »Ich schwöre,
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