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Russisches Abendmahl

Russisches Abendmahl

Titel: Russisches Abendmahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Ghelfi
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unverhohlen ausleben kann. Er reist allein, scheinbar unbeeindruckt davon, dass Posnowa nicht da ist, lehnt sich zurück und nippt an seinem Weißwein, und bemerkt nicht einmal das eng umschlungene Pärchen, das im Gang an ihm vorbeidrängt.
    Die DC-10 braust über die Arktis, so dicht, dass es scheint, als wären wir ganz in Weiß gehüllt. Als das Licht ausgeht und der Film zu Ende ist, schlafen Posnowa und die meisten anderen Passagiere ein. Die, die wach sind, achten nicht darauf, dass ich durch den Vorhang in die Erste Klasse schlüpfe, das Fach über dem schlafenden Pappalardo öffne und seine Tasche raushole. Sie ist aus Leder mit goldenen Reißverschlüssen.
    Zurück auf meinem Platz durchsuche ich systematisch den Inhalt. Ein ordentlich gefalteter beiger Leinenanzug, taubenblaues Hemd, Seidenunterwäsche - offenbar eine Notgarnitur, falls sein Gepäck verloren geht. Kulturbeutel mit allen möglichen bunten Pillen, in Mengen, auf die jeder Apotheker stolz wäre. Ein paar davon kenne ich. Viagra, Prozac, Valium. Andere kann ich nicht einordnen. Ein schmales Notebook steckt in einer Extratasche.
    Ich lege es auf meine Knie und klappe es auf. Wie kann man nur so dumm sein. Die vorgegebene Einstellung liest automatisch das Kennwort. Mit drei Klicks bin ich drin und merke auch gleich warum. Der Computer gibt fast nichts her. Tabellen mit Bilanzen, die zweifellos frisiert wurden, um höhere Gewinne vorzuweisen. Schmutziges Geld rein, sauberes raus, eine von vielen Geldwaschmaschinen der Mafia. Ein halbfertiger Bericht über die verspätete Lieferung eines Ölgemäldes von Kandinsky. Codierte E-Mails, die ich nicht lesen kann.
    Dann klicke ich auf den Bilder-Ordner, und da ist sie, Leda in all ihrer unverhüllten Schönheit, auf einem Foto in Studio-Qualität. Das Gemälde steht gegen einen hellblauen Hintergrund gelehnt. Die hellen Flächen auf Ledas runden Schenkeln, dem Flügel des Schwans und den Babys in den Eiern kontrastieren mit der steifen Dunkelheit des Schilfrohrs im Tal, was ihr eine Dreidimensionalität verleiht und sie fast von der Leinwand und durch den Bildschirm springen lässt. Pappalardos ist nicht nur wegen zwei gefälschten Pissarros unterwegs.
    Ein anderes Bild zeigt Da Vincis Abendmahl , die Tempera ist hoffnungslos zersetzt, aber es ist nichtsdestotrotz immer noch wunderschön. Das Foto scheint aus einem leichten Winkel vom hinteren Teil des Refektoriums aus geschossen worden zu sein. Es ist kein Archivfoto. Rechts unten in der Ecke sieht man einen Teil der Absperrung, die das Gemälde vor den täglichen Besuchermassen schützt. Ich frage mich, wie das Bild gemacht wurde, zumal die Sicherheitsleute vor Ort dafür sorgen, dass nicht geblitzt wird.
    Posnowa regt sich und stöhnt irgendetwas. Ich packe den Computer ein, stecke vier Valium ein und bringe die Tasche zurück zu Pappalardo. Zwei Stunden noch. Keine Hoffnung auf Schlaf.

28
    Gleich nachdem das Flugzeug bei vormittäglichem Nieselregen auf dem Scheremetjewo-2 gelandet ist, schiebe ich Posnowa durch die vollen Gänge im Flugzeug, um möglichst in der Nähe von unserem Freund aus der Ersten Klasse zu bleiben. Pappalardo geht etwa ein Dutzend Leute vor uns von Bord. Als wir zum Zoll kommen, sind es nur noch drei. Er steht in der Schlange für ausländische Besucher und wirft einen flüchtigen Blick zurück. Wir stehen weniger als fünf Meter von ihm entfernt in der kürzeren Schlange für Einheimische, aber sein Blick wandert an Posnowa vorbei, offenbar ohne sie zu bemerken.
    Während Pappalardo sein Gepäck einsammelt, eilen wir durch die Schiebetüren in die Haupthalle. Ein paar Minuten später zieht er einen Wagen voll mit Gepäck Richtung Taxistand.
    Wir folgen ihm ins Freie. Nabi wartet im Mercedes zwischen ausladenden Reisenden, hupenden Taxis und Bussen, die gelben Rauch ausstoßen. Der Regen plätschert auf das Vordach über uns. Ich schiebe Posnowa durch ölige Pfützen vor mir her und stoße sie auf den Rücksitz. Nabi späht in den Rückspiegel und verdreht den Hals, um besser sehen zu können. Er ist deutlich überrascht, aber nicht von ihrer Schönheit, die sogar noch durch die Sonnenbrille und den Hut strahlt. Etwas anderes hat seine Aufmerksamkeit erregt. Bevor ich ausmachen kann, was es ist, sieht er wieder nach vorn.
    Ich rutsche neben sie auf den Rücksitz und werfe Segelohrs Handy auf den Beifahrersitz. »Lade es auf und bring es mir ins Loft.«
    Er nickt hektisch. Sein Auge blinzelt. Er will nach der Frau neben mir

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