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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nicht aus und fragte leise: »Und der zweite Fehler, Chef?«
    Fandorin antwortete mit Metall in der Stimme: »Der besteht darin, daß er mich wütend gemacht hat. Neben meiner dienstlichen Pflicht habe ich nun auch ein persönliches Motiv.«
    Er ging federnd am Tisch entlang, und Anissi mußte plötzlich an den afrikanischen Leoparden denken, der im Käfig neben der unvergeßlichen Schimpansin gesessen hatte.
    Aber da blieb Fandorin stehen, umfaßte mit den Händen seine Ellbogen und sagte nachdenklich, fast träumerisch: »Und wenn wir mit dem Herrn P-Pikbuben alias Momus nun sein eigenes Spiel spielen?«
    »Warum nicht«, bemerkte Wedistschew. »Bloß, wo finden wir ihn jetzt? Haben Sie eine Vermutung?«
    »Nein«, sagte Fandorin scharf. »Ich werde ihn auch nicht suchen. Er soll mich suchen. Wir machen so etwas wie eineBirkhuhnjagd mit einer Attrappe. Ein gut genährtes Birkhuhn aus Pappmaché wird an eine sichtbare Stelle gesetzt, ein Birkhahn kommt a-angeflogen, piff-paff, und die Sache ist erledigt.«
    »Und wer soll die Attrappe sein?« Dolgorukoi blickte Fandorin durchdringend an. »Womöglich mein lieber Beamter für Sonderaufträge? Denn Sie sind doch auch ein Meister im Tarnen, Erast Petrowitsch.«
    Anissi Tulpow wurde plötzlich gewahr, daß die sparsamen Bemerkungen des alten Fürsten fast immer scharfsinnig waren. Fandorin schien nicht im geringsten überrascht.
    »Wer wenn nicht ich könnte die Attrappe spielen, Euer Hohe Exzellenz. Diese Ehre überlasse ich nach dem gestrigen Ereignis n-niemandem.«
    »Und wie wird Momus auf das Birkhuhn hereinfallen?« fragte Wedistschew mit lebhafter Neugier.
    »Wie es sich gehört bei einer Birkhuhnjagd – er wird den Ton der Lockpfeife hören. Und als Lockpfeife benutzen wir sein eigenes Mittel.«
    »Einen Menschen hereinzulegen, der es gewohnt ist, jedermann um den Finger zu wickeln, ist nicht allzu schwer«, sagte Fandorin zu Anissi, nachdem sie in die Kleine Nikitskaja zurückgekehrt waren und sich ins Arbeitszimmer zur »Bilanz« zurückgezogen hatten. »Einem so ausgebufften Mann kommt es nicht in den S-Sinn, daß jemand so dreist ist, den Listigen zu überlisten und den Dieb zu bestehlen. Und schon gar nicht erwartet er das von einer offiziellen Person, noch dazu von so hohem R-Rang.«
    Der andächtig lauschende Anissi glaubte schon, mit der »offiziellen Person von hohem Rang« meine der Hofrat sich selbst, aber im weiteren zeigte sich, daß er viel höher zielte.
    Nachdem Fandorin seine erste theoretische These geäußert hatte, schwieg er eine Weile. Anissi saß reglos, um Gott behüte die Gedankengänge seines Chefs nicht zu stören.
    »Wir brauchen eine Attrappe, nach der unserem Momus das Wasser im Mund z-zusammenläuft und die vor allem seinen Ehrgeiz anstachelt. Ihn soll nicht nur reiche Beute locken, sondern auch großer Ruhm. Der läßt ihn nicht gleichgültig.«
    Der Chef verstummte wieder und bedachte das nächste Glied in der logischen Kette. Nach siebeneinhalb Minuten (Anissi sah es an der riesengroßen altertümlichen Standuhr, die dem Londoner Big Ben nachgebaut war) sprach er: »Ein gigantischer Edelstein … vielleicht aus dem Erbe des Smaragdenen Radschas. Haben Sie schon mal von dem g-gehört?«
    Anissi schüttelte den Kopf und sah seinen Chef mit großen Augen an.
    Der Hofrat war irritiert.
    »Merkwürdig. Die Geschichte damals wurde zwar der Öffentlichkeit vorenthalten, doch ein paar Gerüchte sind trotzdem in die europäische Presse gesickert. In die russische etwa nicht? Aber was rede ich da! Als ich die d-denkwürdige Fahrt mit der ›Leviathan‹ machte, waren Sie noch ein Kind.«
    »Eine Fahrt mit dem Leviathan?« Anissi traute seinen Ohren nicht und stellte sich vor, wie Fandorin auf dembreiten Rücken des alttestamentarischen Chaosdrachens über die Wellen glitt.
    »Unwichtig.« Fandorin winkte ab. »Ein Fall, der lange zurückliegt, ich hatte ein bißchen damit zu tun. Wesentlich ist die Idee: indischer Radscha und riesiger Diamant. Oder Saphir, Smaragd? Gleichviel. Das wird von der Mineraliensammlung abhängen.« Er murmelte Unverständliches.
    Anissi klapperte mit den Augen, und der Chef hielt es für nötig, hinzuzufügen (was es nicht klarer machte): »Das ist natürlich etwas dick aufgetragen, aber für unseren P-Pikbuben wohl gerade richtig. Er muß anbeißen. Tulpow, glotzen Sie nicht so! An die Arbeit!«
    Fandorin entfaltete die neueste Nummer des »Russischen Worts«, fand sogleich, was er suchte, und las laut

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