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Russisches Poker

Russisches Poker

Titel: Russisches Poker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Blick. »Zwei Arschin und sechs Werschok.« 2
    Die natürliche Haarfarbe dürfte hell sein, denn schwarze Haare lassen sich schwerer verändern. Wobei seine Haare höchstwahrscheinlich an den Spitzen ausgeblichen sind infolge des häufigen Gebrauchs von Färbemitteln. Die Augen graublau, dicht beieinander stehend. Die Nase normal. Das Gesicht unauffällig, durchschnittlich, schwer einzuprägen und schwer in einer Menge zu erkennen. Dieser Mann wird sicherlich oft verwechselt und für einen a-anderen gehalten. Und nun die Stimme … Mit ihr geht der Pikbube virtuos um. Zieht man in Betracht, daß er mühelos in Baß wie in Tenor übergehen kann, so dürfte seine eigentliche Stimme einschallender Bariton sein. Sein Alter zu bestimmen ist schwer. Jung wird er nicht mehr sein, denn man merkt seine Lebenserfahrung, aber auch nicht alt – unser ›Schutzmann‹ verschwand gar zu flink in der M-Menge. Ein sehr wichtiges Detail sind die Ohren. Die kriminologische Wissenschaft hat festgestellt, daß sie bei jedem Menschen anders sind und ihre Form sich nicht verändern läßt. Leider habe ich den Pikbuben nur als Schutzmann gesehen, und der hatte eine Fellmütze auf. Sagen Sie, Tulpow, hat der ›Graf‹ den Dreispitz mal abgenommen?«
    »Nein«, antwortete Anissi bündig, den das Thema der Ohren schmerzlich berührte.
    »Und Sie, Euer Hohe Exzellenz, haben Sie sich die Ohren vom ›Herzog‹ und von ›Speyer‹ angesehen?«
    »Erast Petrowitsch«, sagte Dolgorukoi streng, »ich bin der Generalgouverneur von Moskau und habe anderes zu tun, als mir irgendwelche Ohren anzusehen.«
    Fandorin seufzte.
    »Bedauerlich. Also können wir aus dem Äußeren nicht viel Gewinn ziehen. Nun zu den Persönlichkeitsmerkmalen des Verbrechers. Er stammt aus einer guten Familie, spricht sogar englisch. Er ist ein ausgezeichneter Psychologe und ein begnadeter Schauspieler, das steht fest. Mit einzigartigem Charme weiß er sich vorzüglich in das Vertrauen fremder Menschen zu sch-schleichen. Seine Reaktion ist blitzartig. Er ist sehr erfinderisch. Hat einen eigenartigen Humor.« Fandorin warf Wedistschew einen grimmigen Blick zu, ob der nicht etwa losprustete. »Insgesamt jedenfalls ein außergewöhnlicher und talentierter Mensch.«
    »Solch talentierte Menschen sollte man in Sibirien ansiedeln«, knurrte der Fürst. »Kommen Sie zur Sache, mein Lieber, und sparen Sie sich die lobenden Epitheta. Wir wollen schließlich den Herrn nicht für einen Orden eingeben. Ob es möglich ist, ihn zu fassen, das ist die Hauptsache.«
    »Warum nicht, alles ist möglich«, sagte Fandorin nachdenklich. »Lassen Sie uns überlegen. Was für verwundbare Stellen hat unser Held? Er ist über die Maßen habgierig oder von phantastischer Verschwendungssucht – wieviel er auch einrafft, es genügt ihm nicht. Erstens. Er ist eitel und giert nach Anerkennung. Zweitens. Drittens, und das ist für uns am wertvollsten, er ist sehr selbstsicher und neigt dazu, seine Gegner zu unterschätzen. Damit können wir ihn kriegen. Und noch viertens. Bei aller Raffinesse seiner Unternehmungen macht er doch mitunter Fehler.«
    »Was für welche?« fragte der Generalgouverneur rasch. »Ich finde, er ist aalglatt und nicht zu packen.«
    »Mindestens zwei Fehler hat er schon gemacht. Warum hat der ›Graf‹ gestern in Gegenwart Anissis vom ›Ritter des Chrysanthemenordens‹ gesprochen? Mir wurde in Japan tatsächlich der Große und der Kleine Chrysanthemenorden verliehen, aber ich trage sie in Rußland nicht, ich prahle nicht damit, und meinen D-Diener kann man auch nicht danach fragen. Nun, der wirkliche Graf Opraxin als Staatsmann und Angehöriger der höchsten Kreise könnte solch ein Detail in Erfahrung bringen, aber der Pikbube? Woher sollte er es wissen? Das steht nur in meiner Personalakte und in der Dienstliste, in der die Auszeichnungen vermerkt sind. Hohe Exzellenz, ich benötige eine Aufstellung allerBeamten der Geheimabteilung Ihrer Kanzlei, namentlich derer, die Zugang zu den Personalakten haben. Das sind doch gewiß nur wenige? Einer von ihnen hat Verbindung zum Pikbuben. Ich bin überzeugt, auch in der Affäre mit dem Lord muß es einen internen Informanten gegeben haben.«
    »Unvorstellbar!« rief der Fürst entrüstet. »Einer meiner Leute soll mir solch ein Schwein untergeschoben haben?«
    »Nichts einfacher als das, Wladimir Andrejewitsch«, warf Wedistschew ein. »Wie oft habe ich Ihnen gesagt, wir züchten geradezu Schmarotzer und Spitzbuben.«
    Anissi hielt es

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