Russisches Requiem
einer Beule am Kopf auf dem Küchenboden liegt. Vermutlich haben sie dich umgedreht, dich ausgehorcht und dann niedergeschlagen. Vielleicht hast du gedacht, dass
du sie
aushorchst, aber sie haben dir nur Lügen erzählt. Trotzdem will ich nicht ausschließen, dass wir dir verzeihen. Und deine Freunde und Verwandten verschonen. Wenn du voll und ganz kooperierst.«
Koroljow forschte in den kalten Augen der beiden Männer und musste einsehen, dass er keine Trümpfe mehr im Ärmel hatte. Und Gregorins Erklärung klang durchaus überzeugend. Es war nicht auszuschließen, dass er selbst sich geirrt hatte - auch wenn ihm sein Instinkt lauter als je zuvor sagte, dass Gregorin ein Krimineller der übelsten Sorte war. Doch Tschaikow hatte ihm anscheinend alles abgenommen, und das hieß, dass Koroljow praktisch keinen Spielraum mehr hatte. Höchste Zeit, die weiße Fahne zu schwenken. Wen wollte er denn mit seinem Schweigen schützen? Kolja, der ihn zurückgelassen hatte? Die Nonne, eine Frau, der er erst einmal begegnet war? Wenigstens hatten sein Sohn und seine Freunde auf diese Weise eine kleine Chance. Also erzählte er ihnen, was in dem Haus vorgefallen war.
»Na komm, Koroljow«, sagte Gregorin. »Das ist ja alles sehr interessant, aber wo ist die Ikone? Natürlich war sie in dem Haus - aber wohin haben sie sie gebracht, nachdem du sie vor unserem Kommen gewarnt hast?«
»Ich habe die Ikone nicht gesehen. Womöglich war sie da, und ich habe sie bloß nicht bemerkt. Ich habe die Unterhaltung mit Kolja Wort für Wort wiedergegeben, mehr ist nicht passiert. Wenn ich wüsste, wer sie hat, würde ich es sagen. Für mich ist das doch nur ein bemaltes Holzbrett.« Das entsprach zwar nicht unbedingt der Wahrheit, aber dies war sicher nicht der geeignete Zeitpunkt, um sich über seine religiösen Überzeugungen zu verbreiten.
Gregorin fixierte ihn mit einem Ausdruck, der nichts als Berechnung verriet. Ohne die charmante Fassade besaß sein Gesicht die kalte Bösartigkeit einer Schlange. Finster wandte sich Gregorin dem Major zu.
»Er lügt. Brechen Sie ihn.«
»Jawohl, Genosse Oberst.«
»Sie haben vier Stunden Zeit. Und erzählen Sie mir bitte nicht, dass das nicht genügt. Wir müssen diesen verdammten Kultartikel finden, bevor er außer Landes geschmuggelt wird. Versagen Sie nicht - es gibt keine Entschuldigungen mehr. Über mein Büro bin ich jederzeit zu erreichen.«
Er drehte sich wieder zu Koroljow um. »Der Major versteht sein Handwerk. Mach lieber gleich den Mund auf, Koroljow, es ist zu deinem eigenen Besten. Wo ist die verfluchte Ikone?«
»Ich weiß es nicht, Oberst Gregorin.«
»Das ist kein Spiel, Koroljow. Der Major wird dich nicht nur schlagen. Er wird dich vernichten, und am Ende wirst du um eine Kugel betteln.«
Koroljow hatte keinen Zweifel an der Wahrheit dieser Worte, und er spürte, wie er unwillkürlich versuchte, in den Stuhl zu kriechen. »Eins noch, Oberst Gregorin.«
»Ja?« Der Oberst hatte sich schon zum Gehen gewandt und blickte über die Schulter.
»Was passiert, wenn Sie die Ikone nicht bis morgen haben? Reicht Ihr Geld trotzdem für das Visum? Oder zieht sich die Schlinge schon zusammen? Haben Sie es deswegen so eilig? Für ein leeres Versprechen kriegen Sie keine Million Dollar.«
Der Oberst hatte eine athletische Statur und kampferprobte Fäuste, daher hätte sich Koroljow eigentlich nicht über die Wucht des Hiebes wundern dürfen, der seinen Kopf nach hinten gegen die Rückenlehne knallen ließ. Warmes Blut, das aus einem Riss über dem Auge strömte, raubte ihm die Sicht, und er zwinkerte heftig.
»Verdammter Narr, du hast es nicht anders verdient«, zischte Gregorin. »Wenn Sie mit ihm fertig sind, Tschaikow, bringen Sie ihn auf Zimmer H.« Die Tür fiel krachend ins Schloss.
Nachdem auch das Knarren der äußeren Tür verklungen war, trat der Major heran und wischte Koroljow mit einem Taschentuch das Blut weg. Er berührte die Wunde mit großer Behutsamkeit und starrte Koroljow in die Augen. »Du hast eine Gehirnerschütterung.«
»Ständig prügeln die Leute auf mich ein.«
»Vielleicht solltest du sie nicht provozieren.«
»Na los. Ich weiß nichts, aber selbst wenn, würde ich eher Gift schlucken, als mit einem Teufel wie Gregorin zusammenzuarbeiten.«
»Scheiß auf diese georgische Ratte.« Mit einem fast verträumten Ausdruck tupfte Tschaikow Koroljows Wange ab. »Scheiß auf seine Mutter und seine Schwester.« Inzwischen war das Taschentuch blutgetränkt. »Ich
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