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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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hatte schon länger einen Verdacht, aber ich habe ihn ignoriert. Ich habe mich an der Nase herumführen lassen - wie ein Schwein zum Schlachthaus. Was wird jetzt mit meinem Sohn passieren?«
    Erstaunt betrachtete Koroljow den Mann. War das ein Trick, um ihn weichzuklopfen?
    Eine Träne lief über das Gesicht des Majors. »Schau nur, was aus mir geworden ist. Er hat mich zu einem Volksfeind gemacht.«
    Plötzlich schepperte es draußen, und auf dem Korridor näherten sich hastige Schritte. Was war jetzt schon wieder los? Krachend flog hinter Koroljow die Tür auf.
    »An die Wand. Eine falsche Bewegung, und ich schieße. Hände hoch, Hände hoch.«
    Gelassen blickte der Major auf und griff lächelnd nach seiner Tasche. Es folgten drei laute Detonationen, und Tschaikow wurde von der Wucht der Kugeln über den Tisch geschleudert.
    »Verdammt.«
    Trotz des Dröhnens in seinen Ohren erkannte Koroljow die vertraute Stimme.
     

25
    Koroljow brummte der Schädel. Es war ein dumpfer, bis in die Zähne pochender Brei aus Schmerzen, der sich kaum nach den einzelnen Verletzungen unterschied. Anscheinend hatte fast jeder, dem er in den letzten Tagen begegnet war, ob Tschekist, Fabrikarbeiter oder Bandit, als Souvenir eine Beule auf seinem Kopf hinterlassen. Vielleicht als Nebenwirkung dieser ständigen Schläge fühlte er sich noch immer nicht ganz sicher, ob er wirklich gerade mit einem Glas Wodka in der Hand auf einem bequemen Stuhl in einem warmen Büro saß, umgeben von Menschen, die ihm zwar nicht alle unbedingt freundlich begegneten, aber ihm zumindest auch keinen Schaden zufügen wollten. Und falls er es hier nicht mit der Wirklichkeit zu tun hatte, wollte er von ihr auch gar nichts wissen.
    Die Stiche, mit denen der Arzt den Riss über Koroljows Auge vernähte, waren allerdings ein guter Grund für die Annahme, dass das alles kein Traum war, denn er spürte jeden Millimeter der Nadel, die sich ihm durch die Haut bohrte. Semjonow, der auf dem Schreibtisch hockte und den Doktor bei der Arbeit beobachtete, schien aufrichtig besorgt. Das war beruhigend, aber da sich Koroljow bisher so sehr in ihm getäuscht hatte, wusste er nicht, ob er diesem Eindruck trauen konnte. Was sollte er zum Beispiel davon halten, dass Semjonow soeben einem anderen Tschekisten drei Kugeln in den Leib gejagt hatte, ohne dass ihm die leiseste Erschütterung anzumerken war?
    Dagegen ging es Semjonows echtem Vorgesetzten, dem dicken, aggressiven Oberst Rodinow, eindeutig nur darum, dass der Arzt seine Arbeit beendete. »Sind Sie bald fertig?«, bellte er.
    »Einen Moment, nur noch ein Stich. So, das hätten wir.« Nachdem er einen Schutzverband um Koroljows Kopf gewickelt hatte, stand der Arzt auf und nickte zufrieden. Koroljow war froh, dass es endlich vorbei war.
    »Sie können gehen.« Mit einem kurzen, dicken Daumen deutete der Oberst zur Tür. Der knapp fünfzigjährige Arzt setzte zu einer Verbeugung an, ehe er sich eines Besseren besann. Statt die bürgerliche Geste auszuführen, die einem fünf Jahre Straflager einbringen konnte, stakste er mit langen Schritten und gebeugtem Rücken zur Tür. Koroljow fühlte sich an einen Strauß erinnert.
    »Fahren Sie fort, wo Sie aufgehört haben.« Der Oberst hatte seine Augen zu schmalen Schlitzen verengt, so dass ihr Grau kaum zu erkennen war. Er hatte eine rosige Gesichtsfarbe, und auf seinem fetten, kahlen Schädel schimmerte eine dünne Schweißschicht.
    Koroljow hatte ihm eigentlich schon alles erzählt, was er wusste, bis auf die Tatsache, dass die Ikone die Kasanskaja war. Dieses Wissen behielt er lieber für sich. Soweit er das überblickte, war jeder, der die Identität der Ikone kannte, entweder tot oder hatte guten Grund, den Mund zu halten. Wenn Rodinow davon erfuhr, war zu befürchten, dass die Lage völlig außer Kontrolle geriet.
    Weil ihm nichts anderes einfiel, beschränkte er sich auf eine Zusammenfassung. »Wie Sie sehen, hat Gregorin die Sache von Anfang bis Ende gesteuert. Und alles in seinem eigenen Interesse. Oder im Interesse der Verschwörung, wenn sich herausstellt, dass es eine gegeben hat.«
    »Eine Verschwörung ist das auf jeden Fall, verdammt. Er hatte keine Befehle außer seine eigenen. Schon als mir Semjonow von Ihrer Untersuchung berichtet hat, kam mir das Ganze komisch vor, aber bei unserer Arbeit besteht ja oft Grund zur Geheimhaltung.«
    Er griff nach dem Telefon und lauschte kurz, ehe er sich meldete. »Rodinow. Scharapow soll mich anrufen, wenn es was Neues gibt.« Er

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