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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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gemütlich auf einem Ozeandampfer sitzen und mit Champagner auf die Freiheitsstatue anstoßen. Ich hab es wenigstens noch spitzgekriegt. Wenn ich schon erschossen werde, dann immerhin mit offenen Augen.«
    »Was soll dieses Gefasel?«
    »Wir sind die Gelackmeierten, Bruder. Gregorin hat die Suchaktion geleitet, bei der die Ikone entdeckt wurde. Und dann wurde sie hier aus dem Gebäude gestohlen. Ich nehme an, so viel wissen Sie.«
    Der Major zuckte die Achseln. Zumindest drohte er nicht mehr damit, ihm die Haut abzuschälen. Ein kleiner Fortschritt vielleicht.
    Koroljow nutzte die Gelegenheit. »Was Sie aber nicht wissen, ist, dass die Ikone geheim war. Nur Gregorin und ein paar andere haben davon gewusst. Er hat seinen Vorgesetzten nie von ihrer Bedeutung berichtet und stattdessen lieber Verbindungen zu ausländischen Feinden geknüpft, um sie zu verscherbeln. Mironow sollte ihm mit den Visa helfen, aber der hat die Ikone aus eigenen Motiven entwendet, daher mussten sie sie zurückholen. Sie hatten von der Nonne gehört und hatten den Verdacht, dass ihre Einreise etwas mit der Ikone zu tun hatte - also wurden Sie losgeschickt, um das zu klären. Können Sie mir folgen?«
    Da ihn der Major immer noch nicht unterbrach, fuhr Koroljow fort, die Teile des Mosaiks zusammenzusetzen. »Als sie entdeckt wurde, dachten wir armen Milizermittler, dass es sich um einen normalen Mord handelt. Dann hat auf einmal Gregorin sein Interesse bekundet und uns erzählt, dass vielleicht ein Zusammenhang zwischen dem Verbrechen und einer laufenden Tscheka-Untersuchung zu gestohlenen Gegenständen besteht. Anhand der Zahnfüllungen und der Kleidung der Toten fanden wir raus, dass sie Ausländerin war, aber ohne Gregorin wären wir nie draufgekommen, dass sie Nonne war. Und er hat uns auch den Tipp mit der Ikone gegeben. Sie haben also mit Ihren Methoden Ihre Ermittlungen geführt, und ich war Ihnen auf der Spur. Und so haben wir beide nach der Ikone geforscht, während Gregorin die ganze Zeit im Hintergrund die Fäden gezogen hat. Wir waren nur seine Marionetten, verstehen Sie?«
    Lange Zeit starrte der Major auf seine Faust. Schließlich hob er stirnrunzelnd den Kopf. »Nein, alles war selbstverständlich autorisiert, und zwar von höchster Stelle. Manchmal muss ein Tschekist unangenehme Aufgaben erledigen, aber wir sind das Schwert der Partei, und es steht uns nicht zu, über die Art des zu führenden Schlags zu entscheiden. Niemand erledigt gern die Drecksarbeit, aber manchmal ist Vergeltung ohne das Mitwirken der Justiz unumgänglich. Und dieser Mironow, was spielt sein Tod schon für eine Rolle? Jeder Tschekist muss bereit sein, dieses Opfer zu bringen. Und ein Zusammenhang zu dieser Angelegenheit existiert nicht.«
    »Da täuschen Sie sich.« Koroljow hielt es jetzt für angebracht, etwas zu riskieren. Schließlich war Mironow ermordet worden, nachdem er die Ikone entwendet hatte. »Für die Pässe und Visa haben sie Mironow angeboten, ihn zu beteiligen, doch er hat sie gestohlen und der Kirche übergeben. Deswegen war die Nonne hier. Das haben mir die Kultgläubigen heute Abend bestätigt. Begreifen Sie doch endlich!«
    »Mironow?« Der Major schien über den Namen nachzugrübeln. »Ich habe nichts von einem getöteten Tschekisten gehört. Wann soll das passiert sein?«
    »Vor zwei Tagen wurde er entdeckt. Wann er ermordet wurde, ist eine andere Frage. Aber sie wollten nicht, dass seine Leiche gefunden wird, und haben sie deshalb in einer Kirche deponiert, die abgerissen werden sollte. Durch Zufall ist jemand über sie gestolpert, und durch einen weiteren Zufall habe ich den Toten identifiziert. Gregorin hat ihn im Leichenschauhaus abgeholt. Inzwischen ist er wahrscheinlich tief im Wald vergraben.«
    Der Major schüttelte stumm den Kopf. In der Stille hörte Koroljow eine knarrende Metalltür auf dem Korridor und sich nähernde Schritte. Hinter ihm öffnete sich die Zelle, und der Major nahm Haltung an.
    »Nun?«, fragte Gregorins Stimme.
    »Wie Sie vermutet haben, Genosse Oberst. Er wurde von den Kultanhängern umgedreht.« Der Major betrachtete Koroljow mit einer Verachtung, die ihm das Mark in den Knochen gefrieren ließ. Koroljow wollte sich umwenden, aber der Stuhl gestattete es nicht.
    Doch schon trat der Oberst mit einem traurigen Lächeln nach vorn, das seinen Zügen fast etwas Sanftes verlieh. In diesem Augenblick hätte Koroljow viel für eine freie rechte Hand und Platz zum Ausholen gegeben.
    »Armer Koroljow, du hast dich

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