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Russisches Requiem

Russisches Requiem

Titel: Russisches Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Ryan
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vielleicht sind der Staatssicherheit solche Methoden schon einmal begegnet.« Koroljows Frage hing in der Luft wie eine Artilleriegranate auf dem höchsten Punkt ihrer Flugbahn. Der Hauptmann musste sich nicht eigens nach Jasimow umdrehen, um zu wissen, dass sein Kollege totenblass geworden war.
    Gregorin seufzte nach längerem Schweigen nur. »Genosse Koroljow, Ihnen ist sicher bekannt, dass Folter als Verhörmethode nach sowjetischem Strafrecht untersagt ist. Sie wollen doch nicht etwa andeuten, dass der NKWD gegen geltendes Recht verstoßen könnte?«
    »Natürlich nicht, Genosse Oberst.« Koroljow spürte, wie sich Schweiß unter seinen Achselhöhlen sammelte. »Ich dachte nur, dass Ihre Kollegen vielleicht schon einmal auf ähnliche Dinge gestoßen sind. Bei ihren Nachforschungen zu terroristischen Organisationen etwa. Oder zu ausländischen Spionen. Und wenn nicht, könnte ich zumindest diese Möglichkeit schon mal ausschließen. Ich darf Ihnen versichern, dass ich auf nichts anderes hinauswollte.«
    Im Hörer knisterte es, und Koroljow wartete angespannt auf eine Erwiderung. Er warf einen Blick über die Schulter auf Jasimow, dessen Gesicht tatsächlich so weiß war wie das der Ermordeten.
    »Genosse Oberst?« Koroljow fragte sich, ob die Leitung unterbrochen worden war. Vielleicht war auch schon ein Wagen unterwegs, um ihn festzunehmen.
    »Ja, Genosse, ich bin noch am Apparat. Ich überlege, ob eine Ihrer Fragen - oder soll ich sagen: Andeutungen? - beantwortet werden kann. Ich glaube nicht. Die Staatssicherheit hat unter allen Umständen Priorität, das begreifen Sie doch, Hauptmann Koroljow?«
    Der Oberst legte eine leichte Betonung auf den Rang seines Gesprächspartners, um ihn daran zu erinnern, dass er sich auf äußerst dünnes Eis begeben hatte. Eigentlich war diese Ermahnung überflüssig, denn Koroljow wusste sehr wohl, dass er ein bescheidener Milizionär war, ein Zivilbulle, während Gregorin Stabsoberst des NKWD war, das heldenhaft die Revolution verteidigte. Wahrscheinlich bekleidete selbst Gregorins Fahrer einen höheren Rang als Koroljow.
    »Natürlich, Genosse Oberst. Ich ziehe die Fragen zurück. Ich neige leider dazu, mich nur auf den zu bearbeitenden Fall zu konzentrieren und dabei die gesellschaftliche und politische Tragweite meiner Handlungen aus den Augen zu verlieren. Meine Kollegen haben mich bereits gelegentlich deswegen kritisiert.«
    »Ich glaube, Ihre Beweggründe waren aufrichtig, Hauptmann Koroljow. Sollte der NKWD je nach Verlauf der Ereignisse zu der Einschätzung gelangen, dass er über sachdienliche Erkenntnisse verfügt, die unter Berücksichtigung unserer vorrangigen Aufgabe, Staat und Partei zu schützen, an Sie weitergegeben werden können, dann werden wir Sie bestimmt entsprechend unterstützen. Fürs Erste darf ich Sie jedoch darum bitten, mich täglich über den neuesten Stand der Ermittlungen zu informieren. Nach Ihren Angaben ist ja nicht auszuschließen, dass hier auch die Staatssicherheit berührt ist. Für den Fall, dass wir später eingreifen müssen, ist es sicher das Beste, ständig auf dem Laufenden zu sein. Den ersten Bericht können Sie mir morgen früh nach der Vorlesung geben.«
    »Selbstverständlich, Genosse Oberst. Vielen Dank.«
    Gregorin legte ohne Abschied auf, und Koroljow wandte sich wieder Jasimow zu. Die Wangen seines Freundes hatten wieder etwas Farbe, aber auf seiner Stirn glitzerten Schweißtropfen.
    »Verdammt, Alexei.« Zerstreut fuhr sich Jasimow übers Gesicht, und mit der Bewegung schien sein Zorn zu verrauchen. »Was grinst du denn so dämlich? Wenn du schon unbedingt so eine Unterhaltung mit einem Tschekistenoberst führen musst, kannst du wenigstens dafür sorgen, dass ich nicht gleichzeitig mit dir im Zimmer bin. Oder am besten gleich, dass ich nicht in der Stadt bin.«
    Achselzuckend machte sich Koroljow daran, eine neue Akte zum Mord in der Rasin-Straße anzulegen.
    »Ich habe drei Kinder.« Jasimow wandte sich wieder seiner Arbeit zu. »Und ich würde gern noch erleben, wie sie sich um mich kümmern, wenn ich alt bin.«
    Eine Stunde später war Koroljow wieder am Schauplatz des Verbrechens. Semjonow wartete zusammen mit dem Polizeifotografen Gerginow vor der Kirche auf ihn.
    Der junge Milizionär empfing ihn mit einem Lächeln und zog ihn am Arm beiseite. »Alexei Dimitrijewitsch, der General hat mich angewiesen, Ihnen bei den Ermittlungen zu assistieren. Er hat gesagt: >Semjonow, mein Junge, Genosse Koroljow wird in dieser

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