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Rywig 01 - Bleib bei uns Beate

Titel: Rywig 01 - Bleib bei uns Beate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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sind wahnsinnig höflich, Beate, auf Ehre“, sagte sie. „Denn weißt du, Bernt sagte zu uns, wenn wir nicht höflich wären, dann hättest bloß du darunter zu leiden, dann würde Tante Julie meinen, du erziehst uns nicht ordentlich. Wir sind also artig, aber innerlich knirschen wir mit den Zähnen. Und Sonja und ich haben verabredet, wenn wir etwa mal platzen, dann wollen wir uns nur gegenseitig in die Arme kneifen, und das soll dann heißen ,reg dich nicht auf, vergiß nicht: Beate ist bald wieder da’, und das hilft dann.“
    „Senta“, sage ich. „Möchtest du mich an etwas erinnern, sobald ich wieder auf bin?“
    „Ja, natürlich - was denn, Beate?“
    „Daß ihr beide, du und Sonja, eine Riesenumärmelung von mir bekommt, und daß wir zusammen in die Konditorei gehen und ihr so viel Schlagsahnetorte essen dürft, daß ihr drei Tage lang kein Essen mehr sehen mögt.“
    Da lachte Senta von einem Ohr zum anderen.
    „Ja, darauf kannst du dich verlassen, daran werd’ ich dich bestimmt erinnern!“

Und dann kam’ s zum Platzen
    Ich war seit drei Tagen auf den Beinen und fühlte mich wie zerschlagen. Zum ersten Male in meinem Leben merkte ich, was Nervosität war.
    Tante Julie schwang das Zepter, und ich war zu einem folgsamen kleinen Mähschaf herabgesunken. Was nützte es, daß die Kinder sich herausfordernd an mich wandten, was nützte es, daß sie mich um Erlaubnis fragten in Dingen, um die sie unter normalen Umständen nie gefragt hätten - wenn Tante Julie mir das Wort aus dem Munde nahm und für mich antwortete?
    Maren war knurrig und stumm. Tante Julie war eins-zwei-drei in ihre alte Gewohnheit verfallen, zu „kontrollieren“.
    Hans Jörgen hatte wieder angefangen, auf seinen Namen Hansemann zu hören und ließ sich verwöhnen. Seine aufkeimende Charakterstärke mußte fortgesetzt unterbaut und angespornt werden, sie war noch nicht so fest - nicht so fest, daß er sich die Annehmlichkeit einer systematischen Verhätschelung nicht nur zu gern gefallen ließe.
    Der Doktor war seltener zu Hause als sonst. Wenn er kam, war er blaß und zerfurcht und müde.
    Und die Kinder liefen mit einer seltsam erloschenen Miene herum.
    Tante Julie sagte kein Wort von Abreisen. Herrgott, konnte sie nicht endlich abziehen? Sie hatte sich in Bernts Zimmer eingenistet in Kommodenschubladen und auf dem Schreibtisch, und Bernt schlief auf dem Feldbett in des Vaters Zimmer und machte seine Aufgaben und Aufsätze an dem kleinen Tisch da drinnen.
    Wann würde sie nun bloß ihre Koffer packen? Ich war doch wiederhergestellt, ich konnte zu jeder Zeit antreten und meine alte Arbeit wiederaufnehmen - aber Tante Julie ließ mich nicht heran.
    Was mich trotz allem hochhielt, was mich fähig machte, eine bittere Pille nach der anderen zu schlucken, was ein höfliches Lächeln auf meinem Gesicht hervorzwang, das war die sichere Aussicht, daß Tante Julie bald wegfahren und wir unseren Samstagschäker wieder machen würden, und daß wir uns wieder frei und froh und offen und harmlos fühlen - und wieder eine glückliche Familie sein würden.
    Bei alledem mußte ich den Kindern gegenüber noch Haltung bewahren. Ich konnte doch vor ihnen meinen innigsten Wunsch nicht laut werden lassen: wenn Tante Julie nur endlich fahren wollte!
    Eines Nachmittags war sie in der Stadt, und der Doktor kam etwas früher nach Hause als gewöhnlich. Er war blaß und sah fast abgehärmt aus.
    „Beate“, sagte er, und es tat so gut, diesen Namen wieder aus seinem Mund zu hören. Seit Tante Julie da war, hatte er eisern „Fräulein Hettring“ gesagt. „Beate, wollen Sie bitte eben mal zu mir herüberkommen? Ich möchte gern mit Ihnen reden.“
    Ich ging hinein. „Setzen Sie sich bitte, Beate.“
    Ich setzte mich hin und wartete. Der Doktor blickte auf seine Schreibtischplatte nieder. Dann begann er zu reden, langsam, so als suche er mit großer Sorgfalt nach den Worten.
    „Beate, ich muß Ihnen ein wenig von - von meiner verstorbenen Frau erzählen.“
    „Ja, Herr Doktor?“
    „Hinterher werden Sie verstehen, weshalb ich es tat. Ich habe sehr früh geheiratet, Beate. Es war eine Studentenehe. Meine Frau studierte auch, brach aber ihr Studium ab, als Bernt seine Ankunft meldete. Meine Frau war sehr - sehr schön. Aber sie war ein unglücklicher Mensch, Beate. Ihr war etwas in die Wiege gelegt worden, was im Leben am schwersten zu ertragen ist. Sie hatte eine schwierige Gemütsveranlagung, sie war so - so - ohne Freude. Sie war selbst nicht froh

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