Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
Julie?“
„Um uns zu besuchen, Hans Jörgen. Um zu sehen, wie gut es uns geht und wie groß ihr alle geworden seid. Wie ist es, Beate, paßt es in Ihr Programm, daß ...“
„Selbstverständlich“, sagte ich. „Ihre Tante bekommt mein Zimmer, und ich ziehe derweil zu den Zwillingen hinüber.“
„Ih, wie schick!“
„Bestens, Beate!“
„Ich möchte ja ungern absagen...“, meinte der Doktor.
„Das fehlte auch noch! Natürlich kommt Fräulein Rywig, und wir werden außerordentlich lieb und nett zu ihr sein. Nicht wahr, Kinder?“
„Aber klar“, sagten die Kinder, doch irgendwelche Begeisterung war aus den Stimmen nicht herauszuhören.
„Selbstverständlich“, hatte ich gesagt, als der Doktor fragte, ob es passe. Aber in Wirklichkeit paßte es in keiner Weise. Wenn Tante Julie mit ihren Argusaugen ankam, dann mußte das Haus vor Sauberkeit blitzen.
Ich möchte nicht behaupten, daß ich eine schlechte Hausfrau bin, aber jede Frau hat Zeiten, in denen das Haus nicht so in Schuß ist, wie es sein müßte. Das Wetter war so kalt und scheußlich gewesen, daß wir die Wäsche um eine Woche verschoben hatten; nun quoll der Wäschepuff über. Und all das Gemurkse mit Weihnachten und dem zweifachen Geburtstag und großer Gesellschaft hatte mich in jeder Beziehung zurückgebracht. Da lagen allerlei ungebügelte Praxiskittel vom Doktor, Schubläden mußten aufgeräumt werden, und der Küchenschrank war keineswegs einwandfrei.
Maren zeigte viel Verständnis, und wir machten uns gemeinsam an die Arbeit. Ich läutete Hannemarie in der „Rosetta“ an und sagte Bescheid, daß ich diese Woche nicht käme. Hannemarie antwortete: „Nun gut, das ist nicht so gefährlich. Die Kleinigkeiten, die noch zu machen sind, kann ich allein schaffen. Dann holst du die Petticoats bei irgendeiner Gelegenheit bei mir ab.“
Nettes Mädel, die Hannemarie.
„Ich glaube fast, Sie haben sich erkältet, Fräulein Hettring“, sagte Maren, als ich zum fünftenmal am Bügelbrett geniest hatte.
„Uff ja, das scheint mir auch so“, sagte ich. Ich wickelte mir einen Schal um den Hals und nahm Aspirin, mehr konnte ich für meine Gesundheit nicht tun.
Aber die Arbeit ging mir nur sehr schwer von der Hand, denn ich hatte Rückenschmerzen, und nun fing auch noch mein Kopf an, weh zu tun.
O weh, das würde ja schön aussehen, wenn ich krank würde, ausgerechnet jetzt, da Tante Julie in Sicht war.
Am nächsten Tag hatte ich Fieber, ich schluckte noch mehr Aspirin, wickelte mich ganz und gar in Wolle ein und tat alles, um mich gegen Zug zu schützen.
Abends warf der Doktor einen Blick auf mich, stutzte und sah mich mit peinlich professionellen Arztaugen forschend an. „Ist Ihnen nicht gut, Beate?“
Ich versuchte, mir ein kleines Lächeln abzuringen. „Ach, nur ein bißchen erkältet.“
Er nahm meine Hand. „Mädchen, Sie haben ja Fieber! Nein, still jetzt.“
Er fühlte den Puls.
„Wollen Sie gefälligst gleich ins Bett gehen, je eher, desto besser. Nehmen Sie das Fieberthermometer mit und messen Sie sich, ich komme in einer Viertelstunde zu Ihnen rauf. Marsch, ins Bett.“
„Aber Herr Doktor, ich habe doch so viel...“
„Ins Bett, hab ich gesagt. Maren und die Zwillinge greifen mit an. Bernt hilft auch.“
„Ist doch klar“, sagte Bernt. „Geh ins Bett, Beate, damit du schnell wieder gesund wirst.“
„Ich wollte doch aber gerade zu den Zwillingen umziehen, und...“
„Tante Julie bekommt mein Zimmer, ich kann solange in Papas mitschlafen“, sagte Bernt. „Nicht wahr, Papa?“
„Selbstredend. Das regelt sich alles. Also Beate.“ Ich konnte mich nicht wehren und im Grunde sehnte ich mich unsagbar nach dem Bett.
Ich schlüpfte aus den Kleidern, suchte mit den letzten Kräften mein bestes Nachthemd heraus und bürstete mir die Haare. Ich mußte doch ordentlich aussehen, wenn der Arzt kam.
Dann maß ich meine Temperatur. Ich blinzelte mit den Augen. Das Quecksilber zeigte über neununddreißig.
Der Doktor kam. Er warfeinen Blick auf das Thermometer.
„Sie sind mir eine Schöne! Mit solchem Fieber laufen Sie herum. Ich will gar nicht laut sagen, was Sie verdient hätten. Und was ist das für ein Leichtsinn, mit bloßen Armen und bloßem Hals dazuliegen. Daß Sie so unvernünftig sein können, Beate!“
Er sah sich im Zimmer um, sein Blick fiel auf meine Strickjacke, die über einer Stuhllehne hing. Die nahm er, richtete mich im Bett auf und zog sie mir an, behutsam und geschickt, wie ich es einem Mann
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