Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
ausgesucht. Nichts von dem, was die Zwillinge sich erträumt oder erhofft hatten.
Die Zwillinge heulten laut vor Enttäuschung. Es kostete mich mehr Diplomatie und mehr Kraft, als ich ahnte, um den Zwischenfall beizulegen. Es war doppelt schwierig, weil ich in meinem Innern unbedingt auf Seiten der Zwillinge war.
„Maren, wie können Sie es sich einfallen lassen, Renofix für die lackierten Türen zu nehmen? Ich habe doch gesagt, dafür ist Kernseife da...“
„Fräulein Hettring nimmt immer Renofix, und sie werden so hübsch davon.“
„Tun Sie nun, wie ich gesagt habe, Maren. Es gehört sich nicht, daß Sie immer widersprechen.“
Maren stellte die Renofixbüchse in den Schrank zurück und machte die Schranktür unnötig laut zu.
„Wo bist du gewesen, Bernt? Weshalb kommst du so spät nach Hause?“
„Ich hatte Beate gefragt, ob ich bis acht wegbleiben dürfte.“
„Das ist viel zu spät. Du sollst um sieben im Haus sein.“
„Iß jetzt auf, Hans Jörgen, sonst bekommst du keinen Nachtisch“, sagte ich.
„Hansemann hat wohl zuviel auf den Teller bekommen“, sagte Tante Julie. „So ein kleiner Magen kann eine so große Portion gar nicht bewältigen. Schau her, Hansemann, du ißt jetzt lieber etwas von dem Pudding ... “
Meine Nerven waren zum Reißen gespannt. Ich heulte allabendlich, wenn ich im Bett lag. Ich schlief nachts jämmerlich, und tagsüber kochte ich vor Wut und Verzweiflung.
Die Kinder baten mich mit unglücklichen Gesichtern, den Samstagschäker zu machen. Ich buk etwas und versuchte, es ein bißchen gemütlich zu machen. Alles ging schief, keiner von uns vermochte in Stimmung zu kommen.
Sonntag morgen wachte ich mit wahnsinnigem Kopfweh auf. Der Doktor fragte mich, ob ich mit ihm und den Kindern hinausfahren wollte. Tante Julie gehe in eine Kunstausstellung, und wir würden spät essen.
Ich sagte, der Wahrheit gemäß, daß ich Kopfweh hätte und am liebsten zu Hause bleiben wolle. Maren hatte frei, und ich war allein im Haus.
So setzte ich mich denn an den Tisch in meinem Zimmer. Nie in meinem Leben war ich so niedergedrückt gewesen.
Und dann nahm ich Papier und Füller und begann zu schreiben: „ Lieber Herr Doktor Rywig!
Sie sagten neulich zu mir, ich möchte versuchen, Sie zu verstehen. Ich habe es versucht - ich verstand Sie wirklich. Ich hatte mir vorgenommen, zu tun, worum Sie mich baten - ich bot allen meinen guten Willen auf. Ich habe in dieser Zeit mehr guten Willen und mehr Selbstbeherrschung nötig gehabt als in meinem ganzen sonstigen Leben zusammen - aber nun kann ich nicht mehr.
Lieber Herr Doktor - jetzt bin ich es, die Sie bittet, das zu verstehen. Und sollten Sie mich nicht verstehen, dann - ja, dann fragen Sie die Kinder. Die werden mich verstehen, das weiß ich. Denn sie haben die zahllosen Mißverständnisse und Unzuträglichkeiten miterlebt, die in den letzten Tagen gekommen sind.
Sehen Sie, würde ich bei Ihnen und Ihren lieben, netten Kindern bleiben, dann würde es böse auslaufen. Die Kinder würden hin und her gerissen werden - nicht nur zwischen zwei Frauen, sondern zwischen zwei Welten, zwei Lebensauffassungen. Ich liebe sie alle vier viel zu sehr, als daß ich ihnen so etwas antun möchte. Es ist viel besser, wenn sie diese lichte, gute, glückliche Zeit in der Erinnerung bewahren, so wie sie war, anstatt daß sie durch Disharmonie und Trübsal überschattet würde.
Ich weiß ja, daß es nicht anders sein kann. Ich verstehe, daß Sie Tante Julie nicht hinaussetzen können. Lieber Doktor Rywig, ich möchte es für Sie nicht noch schwieriger machen, als es schon ist. Darum ziehe ich mich freiwillig zurück. Es ist nicht Feigheit, daß ich auf und davon gehe, ohne mich zu verabschieden. Einerseits möchte ich mir den Abschied ersparen, andererseits, und das ist viel wichtiger, möchte ich die Kinder schonen.
Ich fahre nicht nach Tjeldsund zurück. Ich bleibe in Oslo und suche mir hier eine gute Stellung. Denn ich möchte so gern in der Nähe Ihrer Kinder bleiben. Ich weiß, daß sie mich brauchen werden, und sie sollen mit mir in Verbindung bleiben.
Lieber Herr Doktor, die Tränen kullern und kullern, während ich dies schreibe. Mir geht es ganz furchtbar schlecht, aber ich weiß, es ist richtig, was ich tue.
Dank, vielen Dank für diese herrliche Zeit. Es war die beste Zeit meines Lebens, und ich weiß nicht, wie ich ausdrücken soll, was ich für Sie und Ihre süßen Kinder empfinde.
Ich bin glücklich, daß Sie und Bernt jetzt so gut
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