Rywig 01 - Bleib bei uns Beate
nie zugetraut hätte.
„So, Kleine. Jetzt möchte ich Sie mir mal begucken, Mund auf!“ Der Hals wurde angeschaut und Rücken und Brust abgehorcht.
„Na ja, also. Da haben wir den Salat. Sie haben eine blühende Grippe, mein Fräulein. Einen Hals so rot wie Purpur, und orgeln tut es in Ihrer Brust nicht schlecht! Das gefällt mir gar nicht. Sie bleiben zunächst mal eine Woche im Bett, dann werden wir.“
„Aber Herr Doktor! Eine Woche! Das geht nicht. Das ist unmöglich!“
„Beatchen, ich werde Ihnen sagen, was unmöglich ist. Es ist uns unmöglich, Sie zu entbehren, und wenn Sie nicht gehorchen, bekommen Sie eine Lungenentzündung, und dann müssen wir sehr lange auf Sie verzichten. Also hübsch unter die Decke mit Ihnen. Ich schicke Bernt zur Apotheke nach Tabletten und Hustensaft. - Und dann muß ich leider, so schmerzlich es mir ist, Besuchsverbot erlassen. Ich möchte ungern, daß die Kinder sich anstecken.“
„Nein, selbstverständlich, Herr Doktor, das wäre ja noch schöner!“
„Maren wird kommen und für Sie sorgen, ich binde ihr sicherheitshalber einen Mundschutz vor, und ich...“
„Ja, Sie, Herr Doktor - ich möchte Sie auch nicht anstecken.“ „Pah, ich bin immun“, lachte der Doktor. „So, mein Kindchen, nun machen Sie die Augen zu, ich schicke Maren zu Ihnen mit etwas zu trinken, und wenn wir sonst noch was für Sie tun können, dann immer heraus mit der Sprache!“
„Sie sind so wahnsinnig nett zu mir, Herr Doktor.“
„Denken Sie mal an! Sie wissen offenbar nicht, daß ich einen Arzteid abgelegt habe. Demzufolge bin ich verpflichtet, allen zu helfen, ungeachtet der Hautfarbe und Rasse und Religion und wie es sonst noch heißt - und ungeachtet dessen, ob es Freund oder Feind ist.“
„Feind bin ich auf alle Fälle nicht“, murmelte ich. Ich war so müde.
Der Doktor war aufgestanden. Jetzt beugte er sich vor und strich mir über das Haar.
„Kleines Mädelchen“, sagte er leise, und seine Stimme war weich und nicht die Spur berufsmäßig. Sie war so „privat“, wie es überhaupt ging, und es klang irgendwie ein wenig Wehmut mit hindurch. „Liebes kleines Mädelchen.“
Am nächsten Tag war das Fieber etwas heruntergegangen, aber ich fühlte mich noch ziemlich elend. Maren kam und machte mein Bett und half mir, mich zu waschen. Sie war rührend hilfsbereit.
Als sie mir das Mittagessen appetitlich angerichtet auf einem Tablett brachte, fragte ich nach den Kindern.
„Die Zwillinge sind nicht wiederzuerkennen“, lachte Maren. „Sie helfen ganz von selbst! Senta steht und bügelt ihr eigenes und Sonjas Unterzeug, und Sonja stopft Herrn Doktors Socken.“
„Ach, die süßen Dinger. Grüßen Sie sie vielmals von mir, Maren.“
„Ja, ich sollte auch sehr grüßen und gute Besserung wünschen.“ Als es nachmittags wieder klopfte, dachte ich, es sei der Doktor, und rief herein. Aber es war Bernt, der kam. Er hatte sich einen von seines Vaters weißen Arztkitteln übergezogen und einen Mundschutz vorm Gesicht.
„Bernt!“ sagte ich, „das darfst du aber nicht.“
„Doch, das darf ich wohl!“ rief Bernt, und seine Augen lachten über der weißen Maske. „Papa hat es mir erlaubt, er hat gesagt, ich sei das einzige vernünftige von seinen Kindern. Ich habe ihm mein
Ehrenwort gegeben, daß ich nicht deine Hand anfasse, und ich wasche mich hinterher mit Papas antiseptischer Seife. Wie geht’s, wie steht’s, Beate?“
„Besser“, sagte ich. „Und euch?“
„Ooch! Wir stehen kopf, um alles für Tante Julies Besuch fein zu machen. Sie kommt ja heute abend.“
„Ja, das tut sie ja.“
„Ja, und du, Beate, dann war ein Anruf für dich. Eine Dame. Sie sagte, ich sollte dich von Hannemarie grüßen und sagen, daß Paket könne jederzeit abgeholt werden, sie wäre fertig mit dem, was sie für dich nähen sollte.“
„Oh, das ist fein!“ sagte ich. „Bernt, glaubst du, du könntest das in diesen Tagen mal für mich erledigen? Es ist nämlich...“ Und dann vertraute ich ihm an, daß es eine Überraschung für die Zwillinge sei, und er dürfe kein Wort verraten, sondern solle nur das Paket ins Zimmer heraufbringen. Er schrieb sich Hannemaries Namen und Adresse auf.
„Ich wußte gar nicht, daß du eine Freundin hier am Ort hast“, sagte Bernt.
„Sie ist auch noch nicht lange hier“, erklärte ich ihm. „Erst seit Neujahr. Grüß sie vielmals von mir, Bernt.“
„Wird gemacht!“ sagte Bernt.
Der Doktor brachte mir herrliches Obst, Maren brachte mir
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