Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden

Titel: Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
dann - dann besteht ja auch für mich eine Hoffnung!“
    Er legte seine Hand unter mein Kinn, hob meinen Kopf und sah mir ins Gesicht. Das seine kam näher. Was jetzt geschehen würde, wußte ich.
    „Wie praktisch, wenn du dich in Peter verlieben könntest.“ Doch es kam ganz anders. Plötzlich stand Bicky vor uns. Sie sah Peter an, und sie knurrte, laut und drohend.
    „Aber Bickylein!“ sagte ich.
    „Dummer Köter, hau ab!“ sagte Peter ärgerlich.
    Bickys Knurren wurde energischer. Jetzt fletschte sie die Zähne -unsere sanfte kleine Bicky! Ich stand auf.
    „Komm, Bickylein. Geh hübsch ins Körbchen. Warum knurrst du Onkel Peter an? Er tut mir doch nichts!“
    Bicky richtete die Augen auf mich. Ich kenne die Hundesprache nicht. Aber wer weiß? Geleitet von einem wunderbaren Tierinstinkt, versuchte Bicky vielleicht zu sagen:
    „Denkste!“
    Dann legte sie sich ins Körbchen, und im gleichen Augenblick kamen Senta und Rolf mit Tee und Schnitten.
    Als ich am nächsten Vormittag von einem kleinen Spaziergang mit Bicky zurückkam, hielt Senta mich im Flur auf.
    „Sonnie, wir haben Besuch. Ein Mädchen, das mit dir sprechen möchte.“
    „Mit mir? Ich kenne doch kein Mädchen...“
    „Sie kennt dich auch nicht. Sie weiß nur, daß ich eine Zwillingsschwester zu Besuch habe; und mich kennt sie als Rolfs Freundin. Sie studierte voriges Semester hier in Kiel. Unsere Adresse hat sie im Telefonbuch gefunden, sie wußte, daß ich hier Haustocher bin. Ja, sie spricht englisch, wenn es auf deutsch nicht geht. Geh rein zu ihr, sei nett, sie sieht so unglücklich aus.“
    „Ich verstehe überhaupt nichts!“
    „Und ich sehr wenig. So, geh nun, sie heißt Anke Scharner.“
    Ein schmales, blondes Mädchen stand auf, als ich ins Wohnzimmer kam. Ihr Gesicht war blaß, und sie sah aus, als hätte sie geweint.
    „Guten Tag, Fräulein Scharner! Bitte behalten Sie doch Platz. Ich bin also Sonja.“
    „Ja, das verstehe ich. - Ihre Schwester trägt ja einen blauen Pullover.“
    Ich mußte lächeln. Ich hatte einen roten an.
    „Kann ich etwas für Sie tun, Fräulein Scharner?“
    Sie biß sich auf die Lippe. Es kostete sie Mühe, die Worte zu finden.
    „Bitte“, kam es endlich. „Glauben Sie nicht, daß ich ganz verrückt bin. Vielleicht ist es verkehrt, was ich tue. Ich weiß selbst nicht, woher ich den Mut nahm, hierherzufahren. Ab und zu ist man so verzweifelt, daß einem das Unmöglichste zuletzt möglich vorkommt.“
    Ihre Hände bewegten sich unruhig, sie flocht die Finger zusammen, und sie atmete schnell.
    „Wenn ich etwas für Sie tun kann...“, sagte ich hilflos.
    „Ja. Bitte. Versprechen Sie, daß Sie mir nicht böse werden.“
    „Das verspreche ich. Sagen Sie nur ganz ruhig, was Sie hierher gebracht hat.“
    „Werden Sie. werden Sie mit Peter heut ausgehen?“
    „Ja“, sagte ich fragend. „Er hat mich ins Kino eingeladen.“ „Und. und womöglich zum Tee. bei sich, in seinem Zimmer?“
    „Ja, wie können Sie das wissen?“
    „Vielleicht hat er schon wieder eine Torte von der Patentante gekriegt?“
    „Wieso ,schon wieder’?“
    „Weil. weil ich auch mal zum Kino und Tee und Patentantetorte eingeladen wurde. Er hat sogar hinzugefügt, daß es ein Glück wäre.“
    „Daß sein Zimmer ausnahmsweise vorbildlich aufgeräumt sei?“ fragte ich, und ich merkte, daß meine Stimme heiser klang.
    Anke sah mich an. Ihre Augen waren groß und brennend in einem schmalen, blassen Gesicht.
    „Ja. Genau das. Wörtlich. Ich bin zum Tee gekommen. und ich. und jetzt. und. und.“ sie schluckte, einmal, zweimal. Dann kam es:
    „Und jetzt bekomme ich sein Kind.“
    Es gibt Augenblicke, in denen man fühlt, daß Worte - die richtigen Worte - dringend notwendig sind. Doch gerade in diesen Augenblicken hat man keine, man sitzt da, vollkommen hilflos, ganz ratlos. So einen Augenblick erlebte ich jetzt. Ich mußte, ich wollte für mein Leben gern der armen kleinen Anke etwas sagen, etwas, das sie trösten könnte, etwas, das ihr zeigte, welch grenzenloses Mitleid ich empfand. Nicht einmal in meiner Muttersprache hätte ich die Worte finden können, und erst recht nicht in einer der beiden Fremdsprachen, die mir so einigermaßen zur Verfügung standen.
    Was ich zuletzt sagte, nachdem ich das glatthaarige, gebeugte Köpfchen gestreichelt hatte, war nicht mehr als:
    „Anke, würde es Ihnen gut tun, sich richtig auszusprechen? Wenn ich auch eine Fremde bin. Oder vielleicht gerade weil ich eine Fremde bin!“
    Sie schwieg

Weitere Kostenlose Bücher