Rywig 03 - Meine Träume ziehn nach Süden
Heiko in der Bahn fahren. Dann kommen wir gleichzeitig in Hamburg an, und ich gehe mit ihm nach Hause und lerne meine Schwiegereltern kennen.“
So! Da war die Katze aus dem Sack!
Und dann kam, was unvermeidbar war. Herr Dieters verlangte die Weinkarte, Sektkühler und Gläser erschienen, und so wurde aus unserem letzten Afrika-Abend eine regelrechte Verlobungsfeier.
Als ich unseren Zimmerschlüssel holte, sagte der Empfangschef: „Hier ist Post für Sie, Miß Rywig. Ich bitte vielmals um Entschuldigung, daß ich es vorhin übersehen habe. Da kam so viel auf einmal.“
Es war eine Karte von den Eltern, dazu ein dicker Brief für Senta von Frau von Waldenburg.
Senta saß auf ihrer Bettkante und machte den Brief auf. Ein anderer lag darin.
„Der ist für dich, Sonnie. Frau von Waldenburg schickt ihn mit, weil er aus Hamburg ist, und sie meint, vielleicht hat es etwas mit unserer Durchreise in Hamburg zu tun.“
Ich drehte den Brief um. Absender A. Meyer und eine mir unbekannte Adresse. Aber mein Name stand klar und deutlich auf der Vorderseite: Sonja Rywig bei Frau von Waldenburg...
Senta ging ins Badezimmer, und ich saß allein und las:
Universitäts-Frauenklinik, 4. April
Liebe Sonja!
Ich hoffe, daß diese Zeilen Dich erreichen, bevor Du zurück nach Norwegen fährst. Du wolltest ja ein paar Tage in Kiel bleiben? Ich darf nicht viel schreiben, ich bin ein bißchen mitgenommen, und die Schwestern sind furchtbar streng.
Vorgestern wurde mein kleiner Junge geboren. Er ist fünf Wochen zu früh angekommen, aber er ist gesund,
und der Arzt sagt, es bestehe keine Gefahr für ihn. Er ist nur etwas klein.
Was ich sonst zu erzählen habe, muß ich im Telegrammstil schreiben - siehe oben.
Vor einem Monat bekam ich zu Hause bei Mutti ein Telegramm aus Hamburg. Es war von Peters Eltern. Peter hatte mit seinem Wagen einen schweren Unfall gehabt. Er lag im Krankenhaus und schwebte in Lebensgefahr. Er bat dringend, ich möchte kommen. Ich bin sofort losgefahren.
Peter war ganz gelähmt. Sein Kopf war klar, er konnte sprechen, aber keinen Finger rühren. Er ist ja nicht dumm, er wußte, wie es um ihn stand.
Er sagte mir, er hätte eben noch Zeit, endlich was Vernünftiges zu tun. Es sei an der Zeit. Als er die Verzweiflung seiner Eltern gesehen hatte - Peter ist ihr einziges Kind -, sagte er ihnen, er hätte einen Trost für sie. Ein Mädchen in München würde ihnen in wenigen Wochen ein Enkelkind schenken.
Wir wurden am folgenden Tag getraut.
Wie es mit Peter weiter gehen wird, weiß ich nicht. Er kann noch lange leben. Vielleicht kommt er dann nach Hause, kriegt sein Kind zu sehen, und ich - ja, ich werde keine Ehefrau, ich werde auf unbestimmte Zeit Krankenpflegerin sein - für einen Mann, mit dem ich das allergrößte Mitleid habe, den ich aber nie lieben kann. Doch mein Kind ist kein uneheliches Kind, und es ist der einzige Lichtpunkt, der einzige Trost für meine Schwiegereltern. Wenn ich hier entlassen werde, ziehe ich zu ihnen. Sie haben mich flehentlich darum gebeten, und ich bringe es nicht übers Herz, ihre Bitte abzulehnen. Ich habe es Mutti geschrieben, und sie ist voll Verständnis.
Mein Junge soll Peter heißen. Die Schwiegereltern haben mir so innig dafür gedankt, daß ich froh über diesen Entschluß bin.
Ich darf nicht mehr schreiben. Kannst Du mich besuchen, bevor Du wieder nach Norwegen fährst? Ich möchte so gern mit Dir sprechen. Die Tage im Dezember bei Euch bedeuteten mir so viel - viel mehr,
als Du ahnst.
Ich höre die Schritte der Stationsschwester auf dem Korridor.
Grüße Senta herzlich.
Die innigsten Grüße von Deiner Anke.
Ich reichte Senta den Brief.
Dann hatten wir ein langes, leises Gespräch bis nach Mitternacht.
„Immer bleibt die Natur"
Der Wartesaal im Flughafen Nairobi war voll. Es war sieben Uhr morgens.
Ein Charterflugzeug aus Frankfurt hatte seine 186 Fahrgäste ausgespien, die Hälfte davon wartete auf den Weiterflug nach Mombasa. Glückspilze! Wie gern wäre ich mitgeflogen und hätte den ganzen Urlaub noch einmal gemacht!
Andere 186 Menschen, darunter unsere kleine Gesellschaft, warteten auf den Aufruf. Unser Flugzeug sollte in etwa einer Viertelstunde starten.
Die Mombasagäste wurden zum Ausgang dirigiert. Einer von ihnen ließ seine Zeitung liegen. Herr Dieters ergriff sie.
„Mal sehen, was während dieser Zeit in der Welt passiert ist“, sagte er, blätterte etwas, legte die Zeitung doppelt. Ich saß ihm gegenüber und konnte eben die Seite
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