Rywig 04 - Die Glücksleiter hat viele Sprossen
Abschießen einer Tierart, das Gleichgewicht der Natur stören. Wir können uns wohl darüber einig sein, daß unser Schöpfer mehr von diesem Gleichgewicht versteht als wir?“
„Aber es gibt doch so viele davon - “, versuchte das Mädchen wieder, diesmal etwas kleinlaut.
„Meinen Sie? Ja, weil die Tiere eben hier konzentriert sind, hier, wo ihnen nicht nachgestellt wird. Wenn man sie jagen dürfte, würden sie vielleicht ein paar tausend Handtaschen abgeben, dann könnten ein paar wohlhabende Damen mit einer echten Krokodilledertasche eine kurze Zeit angeben - und dann? Was dann?“
Das Mädchen schwieg. Sie starrte hinüber auf eine kleine Insel, wo grade drei mächtige Tiere sich niedergelassen hatten. Das vierte ging in diesem Augenblick ins Wasser und schwamm ganz dicht an unserem Boot vorbei.
„Vielleicht“, sagte das Mädchen leise, „vielleicht stimmt es gar nicht richtig, daß sie häßlich sind. Vielleicht sind sie nur - nur -anders.“
Die gute Fee
Ich hatte Herrn Braun für alle Zeit und Ewigkeit für mich gewonnen. Er fraß mir jetzt aus der Hand.
Nicht, weil ich ihm besonders interessante Dinge aus Afrikas Tierreich erzählt hatte. Nicht, weil ich seine Wünsche in Englisch oder Suaheli übersetzt hatte. Nicht, weil ich ihn mit Jahreszahlen, Einwohnerzahlen, Tierarten und anderen Erläuterungen (die ich selbst schwitzend gepaukt hatte) gefüttert hatte. Nein, was mir seinen Respekt und seine Bewunderung einbrachte, war - ein Lederriemen.
Es war Senta, die mich auf die Idee gebracht hatte.
„Wenn du Reiseleiterin sein mußt“, hatte sie gesagt, „dann mach dich auf alle Situationen gefaßt! Ein Fahrgast setzt sich auf seine Sonnenbrille (ich hatte bei Woolworth zwei Stück zu 75 Pfennig gekauft), sie verlieren das Taschentuch (ich besorgte Papiertücher), sie kriegen Kopfschmerzen (ich hatte Tabletten bei mir), sie kriegen Durst (ich kaufte eine große Tüte säuerlicher Fruchtbonbons) oder einem platzt der Koffer, und der Inhalt liegt plötzlich in der Gegend verstreut!“
Genau das passierte mit Herrn Brauns Koffer!
Kein Wunder! Er hatte überall Andenken gekauft, und was für welche! Einen Massaispeer und eine große Kalebasse, eine geschnitzte Holzmaske, eine Trommel und was weiß ich. Das meiste davon hatte er wohl mit Brachialgewalt in den Koffer gepreßt, und plötzlich geschah das Unglück. Die Verschlüsse sprangen auf, alles war restlos verbogen und kaputt, und Herr Braun stand daneben und raufte sich die Haare, während Kalebassen und Filmpackungen und schmutzige Wäsche aus dem Koffer quollen.
Da kramte ich den Riemen aus meiner „Nottasche“, und von dem Augenblick an verehrte und bewunderte mich Herr Braun derart, daß Heiko kurz vor einem Eifersuchtsmord stand (behauptete er).
Eins wußte ich aber: Wenn die Reiseteilnehmer später gefragt werden sollten, wie die Reiseleitung gewesen sei, würde jedenfalls ein Teilnehmer ein Loblied über meine Wenigkeit singen. Was mir eigentlich ganz lieb war!
Wir waren zurück in Entebbe.
Wir hatten uns sauber angezogen und erschienen in richtigen Kleidern. Die verschmutzten Safarisachen waren gepackt. Einige der Damen waren schnurstracks zum Friseur gelaufen. Ein paar
Energische machten einen Ausflug nach Kampala. Die Lehrerin war im Botanischen Garten mit Notizbuch und Fotoapparat, die beiden Jünglinge aus Wagen II spielten Fußball auf einer Wiese.
Heiko und ich faulenzten. Wir saßen in Badeanzügen auf der Hotelterrasse, tranken eine kühle Limonade und starrten auf den blauen, enorm großen Victoriasee, der uns wie ein Meer vorkam. Nun ja, er ist auch der drittgrößte See der Erde.
Heute abend würde unsere Gruppe nach Hause fliegen. Wir würden die Teilnehmer natürlich zum Flughafen bringen, ihnen bis zum letzten Augenblick behilflich sein. Aber dann - dann als Privatmenschen zurück zum Hotel, und morgen früh würden wir nach Nairobi fliegen - morgen mittag konnten wir starten, wir beide allein, wir beide, wir, die wir uns so über alles auf der Welt liebten -wir würden die Woche unseres Lebens starten!
Heiko stand auf. Ich drehte den Kopf. Es war Frau Robinson, die kam.
„Nun, Kinder? Wie ist es, faulenzen zu können?“
„Himmlisch! Aber trotzdem zählen wir die Stunden bis morgen mittag. Wir freuen uns so riesig auf diese Woche.“
„Das verstehe ich. Außerdem brauchen Sie ja ein bißchen Entspannung, bevor die nächste Gruppe kommt.“
„Na ja, das auch.“
„Und was machen Sie denn
Weitere Kostenlose Bücher