Rywig 10 - Machst Du mit Senta
verstanden, hätte nachher ein langes Gespräch mit Professor Simmons gehabt, hätte mit ihm und ein paar englischen und amerikanischen Kollegen zum Lunch gegessen, dann hätte ein junger Zahnarzt, der in Vancouver wohnte, ihn auf eine Stadtrundfahrt in seinem Wagen mitgenommen. Und um halb neun waren wir also von dem guten Professor zum „Dinner“ eingeladen.
Ich sah ein, daß ich bei einer solchen Gelegenheit einen guten Eindruck machen mußte, deswegen die Füße in Sonjas neue weiße Schuhe steckte und mir ein zartrosa Chiffontuch aus ihrem Koffer herausholte.
Ich weiß nicht, ob es Sonjas Tuch, meine Lidschatten oder die angeborene Höflichkeit und altmodische gute Erziehung des Professors war - jedenfalls wurde ich zum erstenmal in meinem Leben mit einem Handkuß begrüßt! Gott sei Dank, Rolf war geistesgegenwärtig genug, um sich bei der Gattin des Professors in der gleichen Art zu revanchieren!
Es wurde ein reizender Abend!
Wenn auch der Professor zwei Drittel seines Lebens in Kanada verbracht hatte, so war trotzdem seine österreichische Herzlichkeit und ein lustiger kleiner Schalk erhalten geblieben!
„Und Sie sind also die gesegnete Dame mit dem Weisheitszahn!“ waren seine Begrüßungsworte.
„Um es ganz genau zu sagen, Herr Professor - ohne den Weisheitszahn“, erwiderte ich. „Den trägt mein Mann bestimmt zusammen mit dem von meiner Schwester ganz dicht an seinem Herzen!“
Frau Simmons lachte und sagte freundlich: „Wir beide müssen zusammenhalten, Frau Skogstad! Wenn unsere Männer mit den Zähnen anfangen, können wir sie gleich als aufmerksame Kavaliere abschreiben!“
„Mariechen!“ kam es vorwurfsvoll vom Professor: „Warum, glaubst du, ist mein Kollege Skogstad aus Norwegen hierhergekommen?“
„Das weiß ich genau. Aber seine kleine Frau ist gekommen, um etwas von Kanada zu sehen, und das wollen wir jetzt tun!“
Wir fuhren zum ,Sheraton’-Hotel, wo ein Lift uns 42 Stockwerke hochbrachte. Du lieber Himmel, was werden wir für einen großartigen Blick von hier haben, dachte ich.
Ich sah gerade noch, beim Betreten des schönen Lokals ganz oben in dem Wolkenkratzer, daß es rund war, und zu allen Seiten einen atemberaubenden Ausblick hatte - dann hörte ich eine Stimme, die mir bekannt vorkam: „Ich kann nicht hier am Fenster sitzen! Hier wird einem ja schwindlig!“
Ich drehte den Kopf und sah unsere ganze Bande! Gerade stand Herr Balberg von seinem beneidenswert schönen Fensterplatz auf und tauschte mit Doktor Scherning. Aha, dies war also das „Karussell-Lokal“, das sich immer ganz langsam drehte, eine Runde per Stunde, so daß man den Ausblick ringsherum genießen konnte!
Als wir an dem Gruppentisch vorbeigingen, wechselte ich einen schnellen Blick mit Sonja.
„Ach, wie steht dir doch das rosa Tuch gut!“ sagte sie in dem Augenblick, wo ich in Hörweite war.
„Und die Schuhe noch besser“, antwortete ich und fühlte förmlich, wie ihr Blick sich nach unten richtete.
Der gute Professor war ein Feinschmecker. Es war eine Wonne, mit ihm gemeinsam die Speisekarte zu studieren.
„Hier kann man international essen“, erklärte er. „Das ist mit ein Grund, daß ich Sie hierher mitgenommen habe. Denn so gern wie ich auch in diesem schönen Land bin, vor der kanadischen Küche muß ich Sie warnen! Es ist mein Glück, daß meine Frau wienerisch kocht!“
Was wir zu essen bekamen, war leicht, wohlschmeckend und mit einem Hauch von französischer Kochkunst.
Die Männer versanken wieder in Wissenschaft und Frau Simmons fragte mich nach dem weiteren Reiseprogramm. Ich erzählte, daß wir in verschiedene Nationalparks fahren würden, und fragte, ob
man große Möglichkeiten habe, wilde Tiere zu sehen.
„O ja, aber nicht so wie zum Beispiel in Yellowstone! In den kanadischen Naturparks kommen nicht die Bären ans Auto und betteln, und die Elche spazieren nicht auf der Landstraße!“
„Eigentlich möchte ich furchtbar gern Bären sehen“, sagte ich. „Ich kenne sie nur aus Zoos. Aber ich würde wohl doch Angst bekommen, falls ich plötzlich einem solchen Riesenkerl gegenüberstünde!“
„Gewöhnlich sind sie friedlich, wenn man sich nur ruhig verhält“, erklärte Frau Simmons. „Wo Gefahr besteht, stehen in der Regel Warnschilder. Aber eins müssen Sie unbedingt wissen: An den gewissen fünf Tagen im Monat darf eine Frau nie Waldspaziergänge machen, da wo die Möglichkeit besteht, Bären zu treffen! Warum es so ist, weiß ich nicht. Aber ich weiß
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