Rywig 10 - Machst Du mit Senta
Mutter wirkte auch nicht gerade taufrisch.
Sonja und Heiko kamen zurück zu ihren Plätzen. Jetzt ergriff Herr Weiden das Wort. Während wir auf das Essen warteten, erzählte er uns, was wir vor dem heutigen Ausflug wissen mußten. Wir würden per Schiff rüber zu der großen „Vancouver Island“ fahren. Auf dieser Insel läge die eigentliche Hauptstadt von British Columbien, eine wunderbare Stadt mit dem Namen Victoria. Da würden wir essen. Und nachmittags sollte es nach den weltberühmten ,Butchart’s Gärten’, zwanzig Kilometer von Victoria entfernt, gehen.
Es wurde dies und jenes gefragt, und Herr Weiden hatte sichere, ausführliche und schnelle Antworten. Er war wirklich, wie Direktor Grünbach gesagt hatte, ein lebendiges Lexikon!
Er konnte auch erzählen, daß diese Insel zu derselben „Faltformation“ des Gebirges gehörte, wie die Rocky Mountains.
Das Frühstück kam, die hot cakes waren vorzüglich. Während wir aßen, fragte ich Herr Weiden, ob er schon diese Reise gemacht habe. Ja, er hätte voriges Jahr eine Studentengruppe geführt. „Aber da wohnten wir nicht in einem so feinen Hotel“, lächelte er. „Damals habe ich übrigens dieses Lokal entdeckt, deshalb habe ich Sie heute hierhergeführt. Es liegt ja auch so bequem in der Nähe unseres Hotels.“
Die gute Laune stieg, es wurde lebhafter an unseren Tischen. Allerdings drohte eine kleine Katastrophe, als der Kaffee serviert wur-de. Es war eine dünne, hellbraune, beinahe durchsichtige Brühe, die nur dadurch genießbar wurde, daß Heiko aus seiner Reisetasche ein großes Glas Pulverkaffee zauberte, aus dem sich alle der Reihe nach bedienten!
Die meisten nahmen die dünne Brühe mit Humor hin. Einer behauptete, wenn dies Kaffee sei, hätte er sich sein Leben lang in Kaffee gewaschen. Ein anderer meinte, nichts gehe über eine Tasse gekochtes Wasser morgens, es sei so gut für die Gesundheit! Nur der nervöse Herr Balberg meckerte, sauer und humorlos. Er werde sich bei Tellus-Touren beschweren. Was sei das für eine Reise, wo man nicht einmal eine anständige Tasse Kaffe kriegen könnte!
Na, an dem Zeitgenossen würden wir bestimmt viel Freude haben!
Dann ging es zum Hafen, wo unser Bus an Bord des Schiffes rollte, zusammen mit vielen anderen Bussen, Lastautos und Personenwagen. Wir konnten uns überall frei auf dem Schiff bewegen, brauchten also nicht in der Gruppe zu bleiben. Wie schade, daß Rolf nicht dabei war! Jetzt war es acht Uhr, jetzt rief er seinen Professor an. Möge dieser Tag für ihn so erfreulich werden wie er hoffte!
Ich stand an der Reling und dachte an meinen Mann. Es war sehr kühl. Ich zog den Mantelkragen hoch und suchte hinter einer Art Aufbau Schutz gegen den Wind.
Plötzlich rührte sich etwas hinter dem Aufbau. Eine Frau ging zur Reling, guckte schnell rechts und links. Dann nahm sie etwas aus ihrer Reisetasche und warf es über Bord.
Ich hatte gesehen was es war: ein weißer Karton mit roten Buchstaben und Goldrändern. Die Packung der Whiskyflasche vom Flughafen Hamburg. An der Armbewegung der Frau hatte ich erkennen können, daß es sich um einen schweren Gegenstand handelte. Es war kein leerer Karton, der langsam, vom Wind gesteuert, ins Wasser fiel. Es war etwas, das richtig reinplumpste und sofort sank.
Die Frau drehte sich um und ging in einen der Aufenthaltsräume im Inneren des Schiffes. Es war wie ich dachte. Es war Frau Lander, Isabels Mutter.
Sie hatte eine unangebrochene, teure Whiskyflasche ins Meer geworfen.
Es schlug uns eine Hitzewelle entgegen als wir an Land stiegen. Der Unterschied zu der kalten Frische an Bord war erheblich. Es wurden Mäntel ausgezogen, Jacken und Wollpullis häuften sich auf den Gepäckablagen im Bus.
Überall war es herrlich grün, da waren unzählige verschiedene Bäume, zum Teil Arten, die mir ganz unbekannt waren. Während der Busfahrt ergriff Herr Weiden das Mikrophon und erzählte von James Cook, der diese Insel für „Hudson Bay Company“ entdeckt hatte. Damals wurde eine Pelzfänger-Station hier errichtet. Jetzt stand alles im Zeichen der Holzindustrie.
„Es erinnert tatsächlich an Norwegen“, meinte Sonja, und sie hatte recht! Wald und Holz, große Sägemühlen, ungeheure Mengen Holzstämme - genau wie man es in den ostnorwegischen Tälern sieht.
Dafür war die Hauptstadt Victoria bestimmt nicht nach norwegischem Muster! Es war eine wunderbare Stadt, mit breiten Straßen, mit viel Licht und Luft - und Blumen!! Herrliche Parkanlagen, und das
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