Rywig 10 - Machst Du mit Senta
Fragen, die sich auf Sonjas Tätigkeit am Vortagebezogen, es kamen freundliche kleine persönliche Fragen -ob ich Kinder hätte, ich war geistesgegenwärtig und erzählte von den Zwillingen - , und zu allem Unglück fing eine nichtsahnende Dame an, über Afrika zu sprechen. Ganz schlimm wurde es, als Doktor Scherning, der selbst ein großer Afrikafreund war, mich nach einem Suaheliwort fragte! Wie hieße nun gleich Moskitonetz? Er hätte sich in einem Hotel in Ostafrika furchtbar abgequält, um einem Zimmerdiener begreiflich zu machen, daß er ein Bett mit Moskitonetz wünsche!
„Ach, wie heißt es nun gleich.“ Ich tat, als dachte ich intensivst nach. „Wissen Sie.“ Da kam mir eine Idee. „Nachdem ich die Zwillinge bekam, ist mein Gedächtnis wie ein Sieb geworden. ach Heiko, wie heißt nun gleich Moskitonetz auf Suaheli?“
„Chandalua“, kam es wie ein Schuß von Heiko.
„Ach ja, natürlich, jetzt erinnere ich mich.“ Wir saßen im Bus, und nach meiner Meinung sollte die Gruppe sich jetzt um Vancou-vers Sehenswürdigkeiten kümmern und nicht um Afrika und Suaheli!
Zum Glück ergriff nun Herr Weiden das Mikrofon und erzählte und erklärte. Wir fuhren durch den chinesischen Teil der Stadt, nachher machten wir Pause in einem herrlichen, sonnigen Park mit einer Sammlung höchst interessanter indianischer Totempfähle. Als es zum Essen ging, hatte ich keine Probleme. Ein paar der Teilnehmer wollten Erklärungen und Ratschläge wegen des Menüs haben, und da fühlte ich mich sicher. Denn vom Essen verstehe ich sogar mehr als meine Schwester!
Ich warf sooft wie möglich ein Auge auf Isabel. Sie hatte einen unruhigen, flackernden Blick. Plötzlich stand sie auf und verschwand hinter der ,Ladies’-Tür. Da ging ich ihr kurzerhand nach und kam gerade rechtzeitig um zu sehen, daß sie im Vorraum einen Schluck aus einer kleinen Flasche nahm.
„Nanu, geht es Ihnen nicht gut, Isabel?“ fragte ich.
„Doch. nein. ich habe es mit dem Magen.“ Damit verschwand sie in einen der beiden Toilettenräume. Ich ging in den anderen, und durch die kleine Trennwand hörte ich, wie die Flasche wieder entkorkt wurde.
Als ich mir die Hände wusch, kam Isabel wieder. Sie lutschte eines ihrer eukalyptusduftenden Bonbons.
Wenn ich bloß einen Punkt finden könnte, etwas, worüber wir sprechen könnten, einen kleinen Grundstein, worauf man eine Art Vertrauen bauen könnte.
Sie blieb einen Augenblick vor dem Spiegel stehen und glättete ihre Haare.
„Was haben Sie da für eine lustige Brosche, Isabel“, sagte ich. Es war ein kleiner goldener Steinbock, den sie am Revers trug. „Das ist bestimmt Ihr Sternzeichen? So eine möchte ich auch haben, ich bin nämlich auch ein Steinbock. Wissen Sie, wo die Brosche gekauft ist?“
„Keine Ahnung. Ich habe sie geschenkt bekommen.“
„Wenn Sie das erfahren könnten.“ fing ich an. „Kann ich nicht. Der großzügige Spender ist aus meinem Gesichtskreis verschwunden. Auf Nimmerwiedersehen. Er hinterließ die Brosche und vier Schallplatten und ein gebrochenes Herz. So, und nun muß ich zurück zu meiner besorgten Mutter.“
Ich ging ihr langsam nach und kehrte zu meinem Tisch zurück. Ich hatte etwas zu denken bekommen. Das war also der Grund! Eine unglückliche Liebe, ein untreuer Freund - war er verschwunden, weil Isabel zu trinken angefangen hatte, oder hatte sie mit dem Trinken angefangen, weil sie ihn verloren hatte?
Ich war beinahe froh über ihren Schwips. Wäre sie nüchtern gewesen, hätte sie bestimmt nicht soviel erzählt.
Zwei Stunden später saßen wir in einem Flugzeug, das uns nach Calgary brachte - eine Stadt, von der ich nur die kurze Strecke vom Flughafen bis zu einem wartenden Bus gesehen habe. Im Flugzeug konnte ich mich auf norwegisch mit Sonja unterhalten und von Isabel erzählen. „Da sehe ich nur eine einzige Heilungsmöglichkeit“,
meinte Sonja.
„Das Mädchen muß sich schleunigst wieder verlieben, und am liebsten in einen Abstinenzler!“
„Und du glaubst, das könnte sie vom Trinken abbringen?“
„Ich sehe jedenfalls keine andere Möglichkeit. Liebe kann Wunder wirken“, sprach meine kluge Schwester.
Drei Paar Kindermokassins
Gegen Abend kamen wir in Banff an. Wir wurden in einem entzük-kenden Motel einquartiert. Lauter kleine Appartements - alle mit eigenem Eingang direkt von einem großen sonnigen Hof mit Platz für unzählige Autos.
Ich half mit dem Zimmerverteilen, trug Frau Hackers Reisetasche und Mantel in ihr Appartement,
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