Rywig 10 - Machst Du mit Senta
ganz genau, daß man in den Parks in den Staaten davor gewarnt wird, und daß zwei junge Mädchen vor ein paar Jahren von einem ganz wild gewordenen Bären zerrissen wurden, weil sie diese Warnung nicht beachtet hatten!“
„Das muß ich sofort den Damen in unserer Gruppe erzählen!“ meinte ich. „Vielleicht ist es doch das sicherste, die lieben Teddys vom Auto zu bewundern, so wie die Löwen und Leoparden in Ostafrika!“
„Ach, waren Sie dort? Das muß interessant gewesen sein!“ Ich erzählte, daß Sonja und ich vor sieben Jahren eine Ostafrikareise gewonnen hatten, und wie diese Reise Sonjas ganzes Leben bestimmt hatte.
So kam es, daß wir plötzlich in Vancouver in einem sich drehenden Lokal saßen und über Afrika sprachen!
Sonja und Heiko kamen für ein paar Minuten herüber zu unserem Tisch und begrüßten unser nettes Professorenpaar. Natürlich sperrten die beiden die Augen auf über diese Doppelausgabe von einer blonden Norwegerin, und Heiko und Rolf mußten zum x-tenmal die Frage beantworten, ob sie nun immer sicher seien, die Richtige bei sich zu haben.
Während Heiko ein paar interessierte Fragen von dem Professor beantwortete, wechselte ich schnell etliche Worte auf norwegisch mit Sonja.
„Wir haben einen Schlangenfraß gekriegt“, seufzte sie. „Der kleine Weiden ist ein lieber Kerl, aber vom Essen versteht er nicht mehr als meine Töchter! Aber was schlimmer ist, die Isabel hat einen handfesten Schwips, und die Mutter sieht einfach verzweifelt aus!“
„Das kann ja gut werden“, meinte ich. „Das arme Mädchen! Wenn man ihr bloß helfen könnte!“
In diesem Augenblick klang ein lautes, hektisches Lachen vom Gruppentisch herüber. Heiko warf einen Blick dorthin und verabschiedete sich. Ich sah, daß er mit Frau Lander ein paar Worte wechselte.
Arme Isabel! Arme Frau Lander!
Wir hatten beinahe zwei Stunden hier gesessen. Zweimal hatte sich unser Lokal gedreht. Es ging so langsam, daß wir die Bewegung gar nicht merkten. Nur der Ausblick wechselte. Vor einer halben Stunde hatten wir die hell erleuchtete Stadt vor uns gehabt. Jetzt schauten wir auf das blanke, dunkle, nachtstille Meer. Es war unfaßbar schön.
Die Gruppe brach auf. Herr Weiden stützte Isabel und lotste sie zur Tür hinaus. Kurz danach verabschiedeten wir uns von unseren reizenden Gastgebern. Wir hatten beide einen anstrengenden Tag vor uns. Rolf auf seinem Kongreß, ich auf einer Stadtrundfahrt, wo ich mein Debüt als Reisehosteß haben sollte.
Wenn es bloß gutginge!
Als wir in unser Hotelzimmer kamen, fanden wir außer Heiko und Sonja auch Herrn Weiden vor.
„Gut, daß ihr kommt“, sagte Heiko. „Wir sitzen hier und überlegen, was wir mit der Isabel machen können. Wenn man bloß die Mutter zum Sprechen bringen könnte - wenn wir wüßten, was das Mädchen zum Trinken gebracht hat! Jedenfalls muß etwas geschehen. Wir können nicht ein ewig beschwipstes Mädchen überall mitlotsen und Kindermädchen spielen.“
Ich erzählte von meiner Beobachtung an Bord, wie Frau Lander eine ganze Flasche Whisky ins Meer geworfen hatte.
„Vielleicht kann eine von euch am besten Kontakt mit der armen Frau kriegen“, meinte Heiko. „Sie spricht vielleicht besser mit einer anderen Frau als mit einem Mann. Und dann müssen wir mit ihr zusammen eine Hilfsaktion planen.“
„Ja, was man alles als Reiseleiter machen muß!“ sagte Herr Weiden, und er hatte eine tiefe Kummerfalte auf seiner sonst so glatten Babystirn.
Am nächsten Morgen war ich früh auf den Beinen. Ich gab Rolf einen Abschiedskuß und ermahnte ihn, ja nicht das Flugzeug nach Banff morgen zu verpassen. Dort würde er seine sich sehnende Lebensgefährtin wieder treffen. Dann band ich das rote Tuch um, befestigte die Tellus-Anstecknadel an meinen Mantel, und guckte in den Spiegel. Ja richtig - Schuhe!
„Nimm meine“, sagte Sonja. „Ich muß sowieso heute offene Sandalen tragen, ich habe mir gestern beim Laufen in Butchards Gardens eine Schürfwunde an der Ferse zugelegt.“
„Deine Schwesterliebe ist rührend“, meinte ich. „Jetzt soll ich also durch deine blöden Schuhe auch eine Schürfwunde kriegen?“
„Ach Quatsch, heute sitzen wir den ganzen Vormittag im Bus und den Nachmittag im Flugzeug! Und ich nehme jetzt die Kamera und mache Aufnahmen und bin Tourist und keine Hosteß. Viel Vergnügen, Schwesterchen!“
Es wurde schwieriger als ich dachte!
Daß ich auf die Anrede „Frau Brunner“ hören mußte, war das wenigste. Aber es kamen
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