Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
Pause. Dann sprach die Ärztin. „Ich möchte Sie gern haben, Allegra. Aber es ist eine Schwierigkeit dabei, eine rein praktische Schwierigkeit. Es gibt etwas, was ich zuerst klären muß. Könnten Sie morgen wiederkommen? Zu derselben Zeit. Ich werde alles tun, um die Sache ins Lot zu bringen.“
„Natürlich kann ich kommen“, versprach ich. „Nichts tue ich lieber.“
Als ich mich verabschiedet hatte, blieb ich einen Augenblick im Hausflur stehen. Ich sah mir das Türschild an. „Dr. med. Tina Oberbach, Fachärztin für Kinderkrankheiten“.
Sollte dies die Tür zu meinem Arbeitsplatz werden? Sollte ich demnächst sagen können: Ich werde Helferin bei Frau Doktor Oberbach?
Ich wünschte es mir so brennend!
Erst als ich im Bus saß, fiel es mir ein, daß das Kuvert mit meinen Zeugnissen und meinem Lebenslauf liegengeblieben war. Und daß Frau Doktor Oberbach überhaupt keinen Blick daraufgeworfen hatte. Sie hatte einfach gesagt: „Ich möchte Sie gern haben, Allegra.“
Nach dem Gespräch mit ihr war mir soviel leichter ums Herz. Ja, ich war beinahe froh - so froh, wie ich seit einem dreiviertel Jahr nicht gewesen war!
Am späten Nachmittag stand ich in der Küche bei der interessanten Beschäftigung, einen Kuchenteig zu rühren. Da hielt ein Auto vor unserem Haus. Nanu? Besuch für uns? Ich guckte raus und traute meinen Augen kaum: Aus dem Wagen stieg Frau Doktor Oberbach. Ich feuerte die Küchenschürze in die Ecke und rannte zur Tür.
„Ja, jetzt staunen Sie“, lächelte die Ärztin. „Wissen Sie, ich war rechtzeitig mit meiner Besuchsrunde fertig, und inzwischen habe ich einen besseren Überblick über meine Situation und möchte gern mit Ihnen sprechen - und mit Ihren Eltern, wenn sie Zeit haben!“
„Vati ist nicht da, aber Mutti hat massenhaft Zeit. Kommen Sie rein, Frau Doktor!“
Ich hatte ja den Eltern ausführlich von meinem Gespräch mit Doktor Oberbach erzählt und gesagt, wie brennend gern ich bei ihr arbeiten wollte. Also war Mutti ganz im Bilde, und wir waren beide riesig gespannt.
„Also, meine Situation ist folgende“, fing Frau Doktor an. „Ich habe bis jetzt nur eine Helferin gehabt, aber ich sehe ein, daß sie Hilfe braucht. Deswegen wollte ich einen Lehrling einstellen. Nun erzählte mir aber das Ungeheuer - bitte, nehmen Sie das nicht wörtlich, wir verstehen uns sehr gut - also, sie erzählte mir heute früh, daß sie heiraten wird! Sie ist willig und bereit, noch ein Jahr bei mir zu bleiben, aber dann wird sie aufhören und vorerst nur Hausfrau sein, und wer weiß, vielleicht auch Mutter. - Nun passen Sie mal auf: Unter den Bewerberinnen ist eine, die schon die halbe Lehrzeit hinter sich hat und gern das zweite Jahr in einer Kinderpraxis arbeiten möchte. Ein nettes Mädchen mit sehr guten Zeugnissen. Sie wird also mit ihrer Ausbildung fertig sein und kann in einem Jahr selbständig arbeiten, wenn meine jetzige mich verläßt. Also werde ich in einem Jahr noch einen Lehrling brauchen. Und jetzt kommen Sie ins Bild, Allegra. Ich möchte Sie sehr gern haben, aber - erst in einem Jahr. Möchten Sie das, und sehen Sie eine Möglichkeit, das Jahr zu überbrücken?“ Mutti lächelte.
„Nun ja, dann müssen wir es wohl mit ihr noch ein Jahr hier zu Hause aushalten“, meinte sie. „Oder vielleicht kriegt sie irgendeinen vorübergehenden Job.“
„Höchstens als Babysitter bei den Nachbarn“, sagte ich. „Oder als Laufmädchen für den Blumenhändler an der Ecke. Aber das nur vor Weihnachten und an den Konfirmationstagen.“
„Also unbedingt Saisonarbeit, so wie der Mann der davon lebte, Glasstückchen bei Sonnenfinsternissen zu schwärzen“, schmunzelte Frau Doktor Oberbach. „Aber im Ernst: Wenn ich Ihnen nun helfen könnte, eine regelmäßige Arbeit für diese Zeit zu finden und sogar gut zu verdienen, wären Sie dann interessiert? Und würden Sie sich dazu verpflichten, in einem Jahr bei mir anzufangen?“
„Letzteres unbedingt!“ rief ich. „Und natürlich möchte ich sehr gern bis dahin auch arbeiten und Geld verdienen. Aber an was für einen Job denken Sie, Frau Doktor?“
„Einen höchst merkwürdigen! Und ich sage gleich, wenn Sie ihn nicht haben wollen, oder wenn Ihre Eltern es nicht erlauben, kann ich es verstehen.“
„Jetzt machen Sie mich aber neugierig, Frau Doktor“, lächelte Mutti.
„Und mich erst!“ rief ich.
„Es sind zwei Dinge, die mich auf den Gedanken gebracht haben, daß Sie vielleicht die Richtige wären“, fing Doktor
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