S - Spur Der Angst
öffnete sich eine Tür.
Verdammt!
Er durfte nicht entdeckt werden!
Nicht so.
Sein Schwanz schrumpfte augenblicklich zusammen.
Er warf einen letzten Blick durchs Fenster und sah, wie die Neue ihr dunkles Haar über die Schulter warf, bevor sie zu ihm hochblickte, als wüsste sie instinktiv, dass er jede ihrer Bewegungen beobachtete.
Eine Sekunde lang stockte ihm der Atem, dann wurde ihm klar, dass sie ihn in der Dunkelheit unmöglich sehen konnte. Lautlos schlich er die Hintertreppe hinunter und fragte sich, wie lange es dauern mochte, bis seine erotische Fantasie Wirklichkeit wurde.
Kapitel sechs
H e, Jules!«, dröhnte Elis Stimme aus ihrem Handy, während sie damit beschäftigt war, vor ihrem Wohnhaus einzuparken. »Analise hat mir erzählt, dass du hier warst. Schade, dass wir uns verpasst haben.«
»Ja, schade.« Sie zog die Handbremse an und stellte den Motor ab. Merkwürdig, dass Eli anrief. Das hatte er noch nie getan. Bei Familientreffen war er zwar immer freundlich gewesen, aber er hatte nie die Initiative ergriffen und sich von sich aus bei ihr gemeldet.
»Was gibt’s?«, fragte sie, mit Handtasche und Telefon jonglierend, stieg aus dem Wagen und schloss ab. Regen tröpfelte aus dem grauen Himmel und lief ihr in den Nacken.
»Du wolltest Näheres über Blue Rock wissen, oder? Weil Shay jetzt dort ist?«
»Stimmt.«
»Und … was sollen all die Fragen?«
»Ich wollte mir einen Eindruck verschaffen, und ihr wart ja beide da.«
»Analise sagte, du seist gar nicht begeistert darüber, dass Edie Shay dorthin geschickt hat.«
Jules schnaubte und schloss die Haustür auf. »Ganz und gar nicht, richtig.«
»Warum nicht?«
»Ich bin der Ansicht, es hätte Alternativen gegeben.« Sie bückte sich, um einen durchweichten Reklamezettel aufzuheben, der auf der Treppe lag – Werbung für eine Teppichreinigung.
»So wie ich es verstanden habe, muss Shay ein wenig zurechtgebogen werden.«
»Reicht da nicht eine starke Hand?«, gab sie zu bedenken. Es war ihr schon immer auf die Nerven gegangen, wie überlegen sich Eli aufspielte.
»Genau das meinte ich. Liebevolle Strenge. In eurer Familie gab es so etwas ja kaum. Und wenn man bedenkt, dass Max eure Mutter verlassen hat, ganz zu schweigen von all dem Ärger mit Rip …«
»Ärger?«, wiederholte sie irritiert.
»Ja.«
»Er wurde ermordet, Eli«, erinnerte sie ihn mit fester Stimme und richtete sich auf. Dann ging sie die Stufen zu ihrer Wohnungstür hinauf und steckte den Schlüssel ins Schloss. »Kaltblütig ermordet von einem Einbrecher.« Sie spürte, wie das Blut in ihren Ohren zu rauschen begann, ein Dröhnen, das stets dasselbe Bild in ihr heraufbeschwor: ihr Vater, der auf dem Fußboden lag und sie aus großen Augen anstarrte, nach Luft schnappend, die Lippen blutrot verfärbt …
Hatte sie tatsächlich das Messer in den Händen gehalten, oder war das Teil des Alptraums, der sie seither regelmäßig heimsuchte?
»He, bitte versteh das nicht falsch. Ich will damit nur sagen, dass Shaylee ohne eine starke Vaterfigur aufgewachsen ist.«
»Und die Blue Rock Academy wird ihr diese ersetzen?« Jules drehte den Türknauf.
»Sie wird ihr eine gute, solide Basis verschaffen. Regeln, nach denen sie leben kann. Menschen, die ihr Rat geben. Gefestigte Christen, die ihr zeigen werden, wie sie ihr Potenzial ausschöpfen kann.«
»Du klingst, als würdest du aus einem der Empfehlungsschreiben zitieren, die ich im Internet gefunden habe.«
Die Tür klemmte, wie immer, wenn es feucht war. Jules drückte sie mit der Schulter auf und nahm sich vor, den Hausmeister zu benachrichtigen.
»Blue Rock ist ein wundervoller Ort. Absolut geeignet für Shaylee.«
Klugscheißer.
Jules schleuderte den nassen Werbezettel auf ein Tischchen im Eingangsbereich. »Gut zu wissen, danke.«
»So … dann wäre ja alles wieder in Ordnung, oder?«
»Aber das war es doch immer, Eli.«
»Ja, schon … Nun, Analise fürchtet, du würdest anfangen, herumzuschnüffeln.«
»Herumzuschnüffeln?«
»Ärger zu machen.«
»Schon wieder dieses Wort: Ärger. Wem sollte ich Ärger machen?« Was zum Teufel sollte das? »Dir?«
»Analise hat dir erzählt, dass wir nicht gerade im Guten von der Blue Rock Academy abgegangen sind, doch das lag allein an uns. Die Schule trägt keinerlei Schuld daran.«
»Ich verstehe nicht, was du mir sagen willst, Eli.« Sie lehnte sich mit ihrer tropfenden Jacke gegen die Wand. Diablo streckte sich auf der Sofalehne aus und spreizte die
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