S - Spur Der Angst
jüngeren Mädchen, noch dazu der eigenen Schwester, zu teilen.
Auf der Junior Highschool hatte sich diese Distanz vergrößert, und als sie schließlich auf der Highschool waren, blieb Jules kaum Zeit für ihre Schwester; sie hatte Besseres zu tun. Vor allem als sie die ersten Jungs und schließlich Cooper Trent kennenlernte.
Stopp! Jules trat auf die mentale Bremse.
Auf keinen Fall wollte sie die Erinnerung an einen Mann heraufbeschwören, der so tief in ihre Seele geblickt hatte.
Diablo rollte sich auf ihrem Schoß zusammen und fing an zu schnurren. Jules streichelte sein weiches Fell und starrte in die flackernden Flammen des Gasofens. Ihr Kopfschmerz hatte ein wenig nachgelassen, Gott sei Dank, und nachdem sie eine Weile über ihre weitere Vorgehensweise gegrübelt hatte, ohne zu einem konkreten Ergebnis zu kommen, stand sie auf und kehrte in die Küche zurück, wo sie sich ihr Lieblings-Spargericht zubereitete: Ramen-Nudeln mit gefrorenem Gemüse aus der Mikrowelle.
Eine echte Delikatesse.
»Köstlich«, sagte sie zu Diablo. »Genau wie auf dem College. Du kannst dich glücklich schätzen mit deinen leckeren Thunfischhappen.«
Der Kater folgte Jules unbeeindruckt die Treppe hinauf zu ihrem Schreibtisch. Sie setzte sich an den Computer, wo sie ihre Detektivarbeit fortsetzte. Es musste doch noch mehr herauszufinden sein! Analise und Eli waren ihr keine große Hilfe gewesen, aber sie setzte auf das Internet. Wenn die Schule irgendeinen Dreck am Stecken hatte, dann würde er hier zu finden sein.
Und was dann?
»Eins nach dem anderen«, murmelte sie, schob ihre Schüssel beiseite und ließ das dampfende Essen stehen. »Eins nach dem anderen.«
Das war also ihr Zimmer, Shays neues »Zuhause«.
Zwei durch einen Gang getrennte Betten, zwei winzige Schränke, zwei L-förmige Schreibtische, die sich in der Mitte des Raums unter dem einzigen Fenster trafen. Ordentlich. Sauber. Glänzend. Mit der Ausstrahlung einer Gefängniszelle.
Trautes Heim, Glück allein, dachte Shay sarkastisch, doch das Zimmer war genau so, wie sie vermutet hatte. Blue Rock enttäuschte ihre Erwartungen nicht.
»Das ist dein Bett«, sagte Dr. Williams und deutete auf das unbenutzte. Nonas Bett war ordentlich gemacht, eine marineblaue Tagesdecke spannte sich mit militärischer Präzision über die dünne Matratze. Ein Kreuz hing an der Wand, ein abgewetzter rosa Stoffkoala saß auf dem Kopfkissen. Sonst gab es keinerlei Dekoration.
»Du kannst deine Sachen in deinem Schrank unterbringen, und Nona wird dir sicher den Großteil deiner Fragen beantworten. Solltest du sonst noch etwas brauchen, kannst du mich Tag und Nacht erreichen.« Dr. Williams bedachte Shay mit einem aufgesetzten, strahlenden Lächeln, bevor sie sie über die Weckrufe, Gebetsstunden und Stundenpläne informierte. Dann verabschiedete sie sich mit einem Winken – »Bis morgen früh beim Gottesdienst!« –, und die beiden Mädchen waren allein.
Als die Tür zugefallen war, schleuderte Shay ihren Rucksack auf das freie Bett. »Wie ist die denn drauf?«
»Sie ist super«, sagte Nona loyal. »Äußerst klug und fähig.«
»Wenn du meinst.«
»Sämtliche Lehrkräfte hier sind hoch motiviert. Sie wollen den Schülern wirklich helfen.«
Shay starrte sie fassungslos an. Glaubte Nona das wirklich?
Mit einem schleimigen Lächeln schlenderte ihre Zimmergenossin zu ihrem Schreibtischstuhl hinüber, dann schaute sie hoch zum oberen Türrahmen. Shay folgte ihrem Blick und entdeckte etwas, das wie ein Sprinkler in die Decke eingelassen war. War es tatsächlich ein Sprinkler? Ihre Augen wanderten zu Nona, die wie beiläufig eine Braue hochzog.
»Ich bin seit letztem Mai in Blue Rock, und ich kann dir sagen, ich war echt ganz schön fertig. Drogen. Mein damaliger Freund hat mich dazu gebracht. Die ersten Wochen habe ich es hier gehasst. Doch nach einer Weile …« Sie zuckte die Achseln. »Nach einer Weile habe ich meine negative Einstellung abgelegt und das Institut als das erkannt, was es wirklich ist.«
»Und das wäre?«
»Die Rettung. Ich war auf dem falschen Weg. Hätte man mich nicht hierhergebracht, wäre ich garantiert nicht mehr viel älter geworden.«
Das kaufte Shay ihr nicht ab. Sie blickte auf das Kreuz.
»Warst du vorher schon religiös, oder hast du erst hier Freundschaft mit Christus geschlossen?«
Nona zuckte zusammen. »Ich habe Jesus in mein Herz geschlossen, als ich erkannte, wie sehr ich ihn brauchte, als mir klarwurde, dass er für mich da ist,
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