S - Spur Der Angst
Gründen.
Hauptsächlich, um seinem Ego zu schmeicheln.
Und seinem Schwanz. Seinem verdammten Schwanz.
Genau wie all die anderen Idioten aus der Geschichte, die Kriege verloren, ihren Thron aufgegeben und den Lauf der Zivilisation beeinflusst hatten, und das einzig und allein wegen einer Frau.
Sie war Eva mit dem Apfel.
Delila mit der Schere.
Isebel mit ihrer Idolatrie und Hexerei.
Er war gezwungen gewesen, einen Handel mit ihr einzugehen, was schmerzhaft gewesen war, eine von Gott gesandte Erinnerung daran, dass er trotz seiner Intelligenz und seines wie gemeißelten Körpers doch nur ein Mensch war.
Er durfte denselben Fehler nicht noch einmal begehen.
Nicht mit Shaylee Stillman.
Nicht mit irgendeiner anderen Frau.
Kapitel acht
A lles war verzerrt.
Die Farben verschwammen. Das Licht waberte. Dröhnender Kopfschmerz hinter den Augen.
Jules blinzelte. Sie war zu Hause … richtig?
In dem Haus, das sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester teilte?
Oder wo?
Die Einrichtung war anders, die Räume so dunkel.
Im Arbeitszimmer standen die Fenstertüren ein Stück offen. Wind wehte durch den Spalt ins Zimmer und bauschte die Gardine. Sie bewegte sich wie eine Tänzerin, glitt anmutig über den Holzfußboden, ihr Saum zog einen leuchtend roten Streifen hinter sich her, als der dünne Stoff durch einen dunklen, gerinnenden Blutfleck wehte.
Jules’ Herz pochte angstvoll.
Sie fühlte das Messer in ihrer Hand, sah Blutstropfen an der Klinge entlangrollen und auf dem Fußboden neben dem Sterbenden zerplatzen …
Rrriiinnnggg!
Jules schreckte hoch. Ihr Handy klingelte. Der Computerbildschirm war dunkel, hatte auf Ruhezustand umgeschaltet. Sie musste bei ihren Recherchen zur Blue Rock Academy, Lauren Conway und Maris Howell eingeschlafen sein. Bevor das Telefon erneut klingelte, griff sie danach. »Hallo?«, fragte sie, bemüht, nicht allzu angeschlagen zu klingen.
»Hi, ich bin’s.« Erin Crosby war seit dem College Jules’ Freundin. Obwohl sie beide im Hauptfach Pädagogik studiert hatten, hatte sich Erin gegen den Lehrerberuf entschieden, weil dieser »einfach nicht ihr Ding« war. Heute verkaufte sie Handys und sonstige Kommunikationsmedien. Erin hatte den verhängnisvollen Fehler gemacht, Jules mit Cooper Trent bekannt zu machen, doch Jules hatte ihr vergeben.
»Dachte, du hättest Lust, heute Abend auf einen Drink auszugehen. Oder zum Sushiessen«, schlug Erin vor. »Du hast doch frei, oder?«
»Heute Abend muss ich nicht arbeiten, lass mich nur schnell in meinen Terminkalender blicken«, erwiderte Jules trocken. Doch dass ihr Terminkalender seit ihrer Scheidung alles andere als überfüllt war, wusste Erin, die das Peri-Sebastian-Debakel hautnah miterlebt hatte, nur allzu gut. Früher einmal waren sie alle miteinander befreundet gewesen.
»Wie wär’s um halb sieben im Oki?«
Jules schaute auf die Digitaluhr auf dem Computermonitor. Sechzehn Uhr siebenundzwanzig. Genug Zeit, um noch joggen zu gehen, unter die Dusche zu springen und sich in die Rushhour auf dem Weg in die Innenstadt zu stürzen. »Ich bin dabei.«
»Gut. Gerri ist auch schon an Bord. Jetzt muss ich aber auflegen. Der Geschäftsführer wirft mir schon böse Blicke zu.«
Jules verschwendete keine Zeit. Sie zog Jeans und Sweatshirt aus, schlüpfte in ihre Laufsachen und war auf ihrer Joggingstrecke, gerade als die Straßenlaternen aufflackerten. Die Dämmerung brach um diese Jahreszeit früh herein, und der wolkenschwere Himmel tat sein Übriges. Dichter Nebel senkte sich über die Stadt und drang durch ihre Kleidung.
Obwohl die Temperatur nur um die zehn Grad lag, brach Jules binnen fünf Minuten der Schweiß aus. Autos und Lastwagen donnerten mit beschlagenen Scheiben vorüber, die Reifen sirrten durch Pfützen, Motoren dröhnten. Jules lief um Fußgänger und Hunde herum den Hügel hinauf, der auf der Mitte ihres Parcours lag. Sie geriet ins Keuchen, ihre angeblich wasserfesten Laufschuhe weichten durch. Nur noch ein paar Meilen, redete sie sich gut zu, während sie schaudernd durch die kahlen Bäume Richtung Universität rannte. Der Regen wurde stärker.
Sie dachte an ihren Vater und an die Nacht, in der er gestorben war, wie sie ihn in seinem Arbeitszimmer gefunden hatte, das Messer, das seinem Leben ein Ende gesetzt hatte, in einer großen, roten Lache neben ihm. Oder hatte es noch in seinem Körper gesteckt? Ihre Träume waren konfus, und mitunter gerieten ihre Erinnerungen durcheinander. Manche Leute hatten Edie
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