S - Spur Der Angst
spöttisch.
»Ich glaube dir.« Erin beäugte ihre Freundin, während sie in die Stücke mit Thunfisch und Lachs biss. An Gerri gewandt, fügte sie hinzu: »Du weißt doch, Sebastian war bloß ein Lückenbüßer.«
Gerri zuckte die Achseln. »Aus dem Lückenbüßer wurde ein Ehemann.«
Jules sah keinen Grund, den beiden zu verheimlichen, was in ihrer Familie vorging, außerdem hatte sie genug Sake getrunken, um ihre Schutzmauer einzureißen.
»Es geht um meine Schwester«, erklärte sie seufzend. Dann steckte sie sich den Rest Sushi in den Mund und fing an zu erzählen.
Gerri und Erin unterbrachen sie nur, um die eine oder andere Frage zu stellen, doch die meiste Zeit waren sie von Shays Problemen in den Bann geschlagen, wenngleich sie nicht sicher sagen konnten, ob Jules die Situation objektiv einschätzte.
»Ich werde einfach das blöde Gefühl nicht los, dass irgendwas faul an der Schule ist. Ich denke, es war ein großer Fehler, Shay dorthin zu schicken«, gab Jules zu. »Allein die Tatsache, dass die Schüler nicht mit ihren Familien kommunizieren dürfen!«
»Das darf man in keiner Institution wie dieser«, bemerkte Erin. »Denk nur mal an Entzugskliniken oder Rehazentren. Sämtliche negativen Einflüsse müssen radikal unterbunden werden.«
»Ich habe keinen negativen Einfluss«, hielt Jules dagegen. »Ich unterstütze meine Schwester.«
»Ich weiß, aber das gehört zur Behandlung.«
»Gewiss sind die Ärzte, Lehrer und Psychologen in Black Rock –«
» Blue Rock.«
»Wie auch immer. Auf jeden Fall sind die Leute dort professionell. Warum bezweifelst du, dass sie wissen, was sie tun?«, fragte Gerri. »Shay hat sich in Schwierigkeiten gebracht. Für mich klingt das so, als habe der Richter ein Nachsehen gehabt und ihr eine zweite Chance gegeben. Komm schon, Jules, du weißt, dass sie Probleme hat.«
»Die hatten wir alle«, entgegnete Jules. »Wir alle haben mit Drogen, Alkohol und Sex experimentiert.«
»Nur Gras«, stellte Gerri klar, »und nach dem College nichts mehr.«
»Shaylee ist mehrfach verhaftet worden, oder?« Erin berührte Jules’ Ärmel. »Ich weiß, dass du dir Sorgen um sie machst, doch ich bin einer Meinung mit Gerri: Vielleicht ist dieser Ort tatsächlich das Beste für sie. Du musst aufhören, sie wie eine Henne zu beglucken, sie ist fast achtzehn. Glaub mir, sie wird damit fertig, egal was sie in Blue Rock erwartet.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Weißwein und wechselte gekonnt das Thema. »Lass uns über dich sprechen. Was macht die Jobsuche?«
»Deprimierend.«
»Tut mir leid, dass ich dir nicht weiterhelfen kann. An meiner Schule entlassen sie gerade wieder Lehrer«, sagte Gerri. »Ich denke, ich bin nicht davon betroffen, aber die Junglehrer machen sich ernsthafte Sorgen.«
»Der Wirtschaft geht’s schlecht«, pflichtete Erin ihr bei. »Meine Firma macht Kurzarbeit.«
»Die Blue Rock Academy hat eine Stelle ausgeschrieben.« Jules nippte an ihrem Glas und spürte, wie der Sake sie von innen her erwärmte.
»Oh, jetzt sag nicht, du willst dich bewerben?« Erin roch Ärger.
»Nein, ich glaube nicht«, erwiderte Jules, obwohl ihr der Gedanke in Wahrheit nicht mehr aus dem Kopf ging. »Eine der Lehrerinnen wurde gefeuert.«
»Maris Howell, stimmt’s?«, fragte Gerri gedankenverloren und wischte einen unsichtbaren Fleck von der glänzend schwarzen Tischplatte.
Jules war überrascht. »Woher weißt du das?«
»Ich kenne sie … zumindest kannte ich sie. Wir sind uns in einem Seminar während meines ersten Referendarjahrs begegnet und haben uns eine Zeitlang ausgetauscht, aber dann haben wir uns aus den Augen verloren. Vor einer Weile habe ich ihren Namen in der Zeitung gelesen und versucht, mit ihr in Kontakt zu treten – vergeblich. Die Telefonnummer hatte sich geändert, die E-Mail-Adresse ebenso.«
»Du weißt, was passiert ist?«
»Hm.« Gerri blickte stirnrunzelnd in ihr leeres Martiniglas. »Nicht genau. Doch ich war überrascht über den Skandal. Das wundert mich sehr. Ich habe Maris als einen hochanständigen Menschen kennengelernt. Sie war in der Kirche aktiv und ein überzeugter Familienmensch. Sie hat ihren Verlobten in Afghanistan verloren – möglich, dass sie sich dadurch so verändert hat.«
»Unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist«, stellte Erin fest und wandte sich an Jules. »Dann bist du also nur wegen Shay so deprimiert?«, fragte sie skeptisch. »Ein Mann steckt nicht dahinter?«
»Natürlich nicht!« Jules schüttelte den
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