S - Spur Der Angst
kein Laut drang aus ihrer Kehle.
Als würde dich hier jemand hören können!
»Stirb, Miststück!« Die Worte, ein tiefes Knurren, hallten über den Heuboden.
O Gott!
Nein! Lieber Gott, lass mich nicht sterben!
Bitte!
Aber es war zu spät.
Ihre Hände erschlafften und fielen leblos herab.
Irgendwo in den Dachsparren über ihr rief eine Eule und breitete ihre großen Flügel aus, doch Nona sah und hörte sie nicht mehr. Das einzige Geräusch, das sie noch vernahm, war das Rauschen des Blutes in ihren Ohren, das Einzige, was sie noch sah, das schemenhafte Gesicht ihres Angreifers.
In den letzten Sekunden, bevor sie das Bewusstsein verlor, wurde Nona Vickers klar, dass sie in dieser Nacht nicht nur ihre Jungfräulichkeit, sondern auch ihr Leben verloren hatte.
Kapitel vierzehn
C ooper Trent erhob sich schlecht gelaunt.
Nach einer schlaflosen Nacht gab er irgendwann in den frühen Morgenstunden auf, rollte sich aus dem Bett und knallte das Fenster zu, das einen Spaltbreit offen stand, weil er sich eingeredet hatte, die eisige Bergluft würde ihm beim Einschlafen helfen. Dabei war das alte Blockhaus ohnehin so schlecht isoliert, dass die Kälte direkt durch die Wände zu dringen schien.
Zwar würde es um diese Jahreszeit erst in einigen Stunden hell werden, aber das war ihm egal. Er wollte sich keine weitere Sekunde auf seiner Matratze herumwerfen und sich fragen, was um alles in der Welt er hier machte.
Er rief sich in Erinnerung, was er in den vergangenen Monaten herausgefunden hatte, und stellte fest, dass es nicht gerade viel war. Irgendetwas ging hinter der makellosen Fassade des Instituts vor sich, aber er konnte nicht mit Sicherheit sagen, was.
Ein paar der Schüler hatten sich ihm wegen Lauren Conway anvertraut. Bei den Sportstunden hatte er einige Unterrichtseinheiten zum Thema Stress und Stressbewältigung abgehalten und die Kids dazu gebracht, über Dinge zu sprechen, die ihnen zu schaffen machten. In beiden Klassen, die er unterrichtete, war Laurens Verschwinden zur Sprache gekommen. Die Schülermeinungen gingen auseinander: Die einen nahmen an, jemand habe sie bei ihrem Fluchtversuch umgebracht, die anderen waren überzeugt, sie habe es geschafft.
»Ich denke, sie wollte weg von der Schule und von ihren Eltern. Bestimmt wohnt Lauren jetzt in einer schicken Stadt, hat sich einen Job gesucht und ein eigenes Apartment. Sie lebt ihr Leben und lacht über Blue Rock«, hatte Maeve Mancuso gesagt, und ihre Freundinnen Lucy und Nell hatten ihr beigepflichtet.
»Obwohl sie als freiwillige Hilfskraft hierhergekommen ist?« Trent hatte Maeves Begründung nicht ganz folgen können.
»Nun, das war vermutlich der erste Schritt, von ihrer Familie loszukommen.«
»Sie war zwanzig. Volljährig.«
Maeve runzelte die Stirn und sah ihn an, als wäre er schwer von Begriff. »Manche Eltern ruinieren einem ewig das Leben. Fragen Sie nur meine ältere Schwester!«
Dennoch erschien Trent Maeves Theorie eher unwahrscheinlich. Wenn es Lauren letzten November tatsächlich geschafft hatte, von hier abzuhauen, dann hätte sie mit Sicherheit jemand in einer der umliegenden Städte gesehen oder an der Interstate als Anhalter mitgenommen.
Trent hatte das Thema nicht weiter vertieft. Wenn er Maeve und ihren Freundinnen zu vehement widersprach oder sie daran erinnerte, dass er für sie eine Autoritätsperson war, hätte er ihr Vertrauen untergraben, und es war wichtig für ihn, dass er die Kids dazu brachte, sich ihm zu öffnen. Nur so konnte er herausfinden, was Lauren Conway wirklich zugestoßen war – und nur deshalb hatte er schließlich den Job in Blue Rock angenommen.
Er hatte außerdem ein paar Gespräche mit angehört, die darauf hinwiesen, dass eine Gruppe von Schülern irgendeinen Geheimklub gegründet hatte. »Sie treffen sich nach Einbruch der Dunkelheit, und nur ausgewählte Schüler dürfen Mitglied werden.« Das hatte er in der Jungenumkleide aufgeschnappt. Es klang nach einer Art Burschenschaft, wenngleich er keinerlei Hinweis darauf fand, dass die Schule involviert war. Auch wenn er nicht in allen Punkten mit den Prinzipien und Programmen von Blue Rock übereinstimmte, so erkannte er doch, dass die Lehrer und übrigen Mitarbeiter aufrichtig von ihrer Aufgabe überzeugt waren. Die Blue Rock Academy war eine Schule, die Problemkinder dabei unterstützte, auf den Weg zu ihren Familien und zu Gott zurückzufinden. Manche der institutseigenen Methoden kamen ihm extrem vor, aber keine davon konnte für
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