S - Spur Der Angst
wollen?
Gott besaß also doch Humor.
Und zwar einen verdammt schwarzen.
»Du weißt, warum ich hier bin«, sagte Jules. »Jemand – ich nehme an, Oberstudienrätin Hammersley – hat dich losgeschickt, um mich abzuholen.«
»In der Tat. Außerdem hat sie die Bombe platzen lassen, dass du die neue Geschichtslehrerin bist.«
»Wunderbar«, erwiderte sie mit einem Sarkasmus, der so beißend war wie der Wind, der von den Bergen herabfegte.
»Und das Witzige an der Sache ist, dass ich ebenfalls hier arbeite.«
»Sehr lustig«, bemerkte sie. »Du stehst nicht auf der Website!«
»Die muss noch aktualisiert werden. Ich bin der Neue, obwohl – jetzt bist du ja da.«
Toll, einfach großartig! Die ganzen Lügen, die ganze Mühe waren umsonst. Sie hatte gefürchtet, Shaylee könnte ihre Deckung auffliegen lassen oder Lynchs Frau würde herausfinden, dass sie mit der neuen Schülerin verwandt war, doch dass Cooper Trent hier war, damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Sie kurbelte das Fenster hoch, öffnete die Tür und trat auf den eisigen Parkplatz hinaus, wo ihr der messerscharfe Wind durch die Jacke schnitt.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in Blue Rock Western- oder Bullenreiten unterrichten. Als was arbeitest du hier?«
»Ich bin Sportlehrer.«
»Warum?«, fragte sie und hätte gern gewusst, warum ihr Puls bei seinem Anblick immer noch furchtbar schnell ging. »Sind dem Rodeo die Bullen ausgegangen?«
»Ich habe lediglich den Beruf gewechselt.«
»Oh, natürlich. Du hast deine Sporen gegen Nikes eingetauscht. Das kann ich mir kaum vorstellen.«
Deputy Meeker starrte zu ihnen herüber, dann überquerte er mit gerunzelter Stirn den Parkplatz, Jules’ Führerschein in der Hand.
»Mach mir bitte keinen Strich durch die Rechnung«, flüsterte sie. »Ich brauche den Job.«
»Abgemacht. Das Gleiche gilt für dich.« Er zögerte. Als sie nicht reagierte, fügte er hinzu: »Weiß Lynch, dass deine Schwester eine seiner Schülerinnen ist? Ich dachte, es verstößt gegen die Regeln, wenn Familienmitglieder –«
»Schscht«, zischte sie warnend und spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Sie musste unbedingt ruhig bleiben, durfte sich auf keinen Fall dem Deputy gegenüber etwas anmerken lassen.
»Gibt es ein Problem, Officer?«, erkundigte sich Trent, und Jules musste sich schwer zusammenreißen, um ihm nicht gegen das Schienbein zu treten. Stattdessen zwang sie sich zu einem Lächeln, obwohl ihr ganz und gar nicht danach zumute war.
»Ich habe Ihren Ausweis überprüft«, erklärte der Deputy und reichte Jules den Führerschein zurück. »Der ist übrigens vor zwei Tagen abgelaufen.«
»Ich weiß, aber ich hatte furchtbar viel zu tun. Ich will ihn jetzt unter meiner neuen Adresse verlängern lassen.« Hoffentlich kaufte der Deputy ihr die Lüge ab!
Er musterte sie durchdringend, doch schließlich nickte er. »Kümmern Sie sich darum. In Cave Junction gibt es eine Kraftfahrzeugbehörde. Das ist ein bisschen näher als Medford.« Sein Handy klingelte. Er nahm den Anruf entgegen und wandte ihnen den Rücken zu.
»Danke«, sagte sie erleichtert.
»Schön. Können wir los?«, fragte Trent, aber Meeker war in sein Gespräch vertieft.
»Ich denke schon«, antwortete Jules.
»Dann lass uns deine Sachen aus dem Wagen holen und in den Jeep laden.«
Jules öffnete den Kofferraum und nahm die kleinere ihrer beiden Taschen heraus, dazu ihr Kissen und eine Laptoptasche. He-Man konnte den großen Rollkoffer nehmen.
Nachdem sie den Volvo abgeschlossen hatte, half sie Trent, die Sachen in den Jeep zu verfrachten. Sie stiegen ein und rollten langsam auf das noch offene Tor zu. Trent hielt an, winkte dem Wachmann zu, dann gab er Gas und fuhr aufs Schulgelände. Schweigend schlängelten sie sich die schmale Straße hinauf, während Jules Fragen über Fragen durch den Kopf schossen, vermischt mit Erinnerungen an eine lang zurückliegende Zeit.
Damals war sie noch keine zwanzig gewesen, aber immer noch Jungfrau, als Erins Bruder sie mit Cooper Trent bekannt machte. Sie hatte einen vorlauten, draufgängerischen Macho erwartet, doch stattdessen lernte sie einen ruhigen, nachdenklichen Mann kennen, der einen ebenso sarkastischen Humor besaß wie sie selbst.
Jetzt, sieben Jahre später, spürte sie, wie aufgestauter Zorn und bittere Enttäuschung an ihr nagten. Sie hatte geglaubt, ihn nie wiederzusehen, und sich im Traum nicht ausgemalt, mit ihm zusammen zu einer Schule zu fahren, in der –
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