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S - Spur Der Angst

S - Spur Der Angst

Titel: S - Spur Der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Jackson
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schnalzen, dann glitten ihre Fingerspitzen hinauf zu den Ellbogen und fuhren über die Narbenwülste, die sich über ihre Arme zogen. An schlechten Tagen versuchte sie, sie aufzukratzen, damit sie bluteten, doch in letzter Zeit hatte sie das nicht mehr getan. Nicht mehr seit dem Tag, an dem sie Ethan geküsst hatte, weil er ihr geholfen hatte, ihr Kanu zu Wasser zu lassen. Der See hatte an jenem Tag gefunkelt, als würden Diamanten darauf tanzen, die Sonne war warm durch ihre Kleidung gedrungen, und sie hatte sich geschworen, sich nicht mehr zu ritzen. Ein Junge wie Ethan würde sich kein Mädchen mit blutigen Wülsten auf den Armen zur Freundin wünschen. Nie wieder würde sie zum Messer greifen, das hatte sie sich fest vorgenommen und sogar damit begonnen, eine Vitamin-E-Salbe auf die Narben aufzutragen, weil die Schulschwester meinte, das würde die Heilung beschleunigen.
    Sie träumte von dem Tag, an dem sie und Ethan Blue Rock verlassen würden, um zusammen aufs College zu gehen, sich vielleicht sogar eine gemeinsame Wohnung zu suchen. Natürlich, erst musste sie ihn dazu bringen, sie wieder zu lieben, aber das würde ihr gelingen! Da war sie sich ganz sicher. Sie blickte auf den Bücherstapel, der vor ihr lag, griff nach einem dicken Shakespeare-Band, den sie in der Bücherei geliehen hatte, und schlug ihn bei Romeo und Julia auf. Das war wahre Liebe! Eines Tages würde Ethan sie mit der gleichen obsessiven Leidenschaft begehren! Eines Tages müsste sie sich nicht mehr mit Schlampen wie Shaylee Stillman herumplagen – Mädchen, die anderen den Freund ausspannten.
    Jetzt, da die Auseinandersetzung zwischen Eric Rolfe, Lucy und der dämlichen Shay vorüber war und sich alle wieder auf ihre Plätze zurückgezogen hatten, hatte Maeve einen besseren Blick auf Ethan, der ein Stück von ihr entfernt saß und etwas in ein Notizbuch schrieb. Er hatte den Kopf gesenkt, das Licht fing sich in seinem dunklen Haar. Das karierte Flanellhemd, das er trug, betonte seine breiten Schultern und den muskulösen Brustkorb, und sie dachte daran, wie er sie in seinen starken Armen gehalten hatte, als sie sich küssten, an seine wohlgeformten, kräftigen Bizepse. Er war ein zuverlässiger Kerl, einfühlsam, und in seinen dunklen Augen konnte sie sich verlieren.
    In diesem Augenblick hob Ethan den Kopf und sah sich suchend im Raum um, als habe er ihren Blick bemerkt. Seine Augen blieben fragend an ihr hängen.
    O Gott.
    Sie schenkte ihm ein halbherziges Lächeln und wünschte, sie säße nahe genug bei ihm, um ihm zu sagen, wie traurig sie wegen Nona war, wünschte, sie wäre nahe genug bei ihm, um sich an seine Schulter zu lehnen und sich von ihm in die Arme schließen zu lassen, und sei es nur für einen kurzen Moment.
    Er nickte ihr zu, sein Gesichtsausdruck war unergründlich. War Liebe in seinen dunkelbraunen Augen zu sehen, oder bildete sie sich das nur ein, weil sie es sich so sehr wünschte?
    Sie zwang sich, den Blick abzuwenden und wieder auf ihr Buch zu richten. Es war bei einer Seite mit einem Monolog aufgeschlagen, den sie sich für den Kurs bei Oberstudienrätin Hammersley einprägen wollte.
    »Doch still, was schimmert durch das Fenster dort?«, fragte Romeo. »Es ist der Ost, und Julia die Sonne!/Geh auf, du holde Sonn! Erröte Lunen,/Die neidisch ist und schon vor Grame bleich …« Maeve krümmte die Finger um den Einband und drückte so fest zu, bis es schmerzte.
    Eines Tages würde Ethan sie so lieben. Sie wäre seine Sonne, und er würde alle neidischen Monde umbringen. Ihre Liebe wäre wie die von Nona und Drew – eine Liebe, die über den Tod hinausging. Eines Tages …

    Jules versuchte noch immer, die Tatsache zu begreifen, dass Trent und sie an derselben Schule arbeiten würden. Der Schnee war wieder in Graupel übergegangen, winzige Eiskörnchen prasselten zu Boden, so dicht, dass die Lichtkegel der Scheinwerfer kaum hindurchdringen konnten.
    »Na schön«, sagte sie, um das Schweigen zu durchbrechen, das seit etwa zwei Meilen auf ihnen lastete. »Wie wollen wir das Ganze handhaben?«
    »Du kennst mich nicht; wir sind uns soeben zum ersten Mal begegnet.« Er zog konzentriert die Augenbrauen zusammen. »Bis jetzt hat Shaylee noch nicht zwei und zwei zusammengezählt. Am Anfang meinte sie, ich käme ihr bekannt vor. Seitdem hat sie nichts mehr darüber verlauten lassen.«
    »Ich hoffe nur, sie ruft in ihrer Panik nicht Edie an.«
    »Kannst du dir das vorstellen?«
    »Eigentlich nicht, aber wer weiß?«,

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