S3, Spuk in der Bibliothek: Eine Annäherung an das Unheimliche (German Edition)
Bibliothek erlebt hat. Und mir ist die Idee gekommen, einige Geschichten über diese seltsamen Ereignisse im Bereich S3 zu sammeln. Schon zweimal habe ich jetzt gehört, dass dort unten merkwürdige Dinge passieren. Vor einigen Jahren von den beiden Typen im Seminar und jetzt von Jessica. Auch Laura meinte ja, sie habe schon mehrmals von seltsamen Ereignissen in der Bibliothek gehört.
Es müssten also einige Geschichten aufzutreiben sein. Vielleicht mache ich ein kleines Projekt daraus, eine kleine Dokumentation eben dieser seltsamen Vorkommnisse. Eigentlich bin ich ja mit meiner Doktorarbeit beschäftigt... Andererseits tut es mir sicher ganz gut, etwas Ablenkung zu haben, ein anderes Thema, dem ich mich widmen kann. Mit meiner Doktorarbeit werde ich noch genug Zeit verbringen.
Ich komme gegen 14 Uhr von der Universität nach Hause und um 14.30 rufe ich Jessica an. Sie klingt verschlafen und ihre Laune ist nicht die Beste. Trotzdem sagt sie zu. Ich könne ein kurzes Interview mit ihr führen und das auch auf Band aufnehmen. Es müsse nur anonym sein. Morgen habe sie Seminar bis zehn, danach könnten wir uns treffen.
3. Jessicas Erlebnis
Mittwoch, 13. Februar 2008: Seit acht bin ich an der Uni. Kurz nach halb zehn stehe ich vor dem Raum, den Jessica mir genannt hat. Und zwanzig vor zehn ist die Veranstaltung zu Ende, etwas früher als normal. Ich höre Stimmengewirr und Stühlerücken. Jessica ist eine der Ersten, die den Raum verlassen. Ich dachte schon, sie würde es sich anders überlegen. Aber meine Sorge war unbegründet. Ihre Laune hat sich deutlich gebessert. Vorletzte Nacht habe sie schlecht geschlafen, so Jessica, deshalb sei sie am Telefon so abweisend gewesen. Ihr Nachbar habe Geburtstag gefeiert, „und die ganze Nacht lief Schrottmusik“.
Nur einige Meter weiter finden wir einen leeren Raum. Der Belegungsplan neben der Tür verrät, dass er die nächsten zwei Stunden frei bleibt. Draußen auf dem Flur will ich das Interview nicht führen. Es ist einfach zu laut, die Tonbandaufnahme wäre voller Störgeräusche. Ich habe in den letzten Monaten mehrere Aufnahmen für meine Doktorarbeit abgetippt und weiß, wie lästig Hintergrundlärm ist. Es kostet Zeit und Nerven, sich einen Abschnitt wieder und wieder anzuhören und trotzdem irgendwann raten zu müssen.
Jessica und ich sitzen und gegenüber, das Tonbandgerät liegt zwischen uns auf dem Tisch. Im Folgenden gebe ich unser Gespräch so wieder, wie es tatsächlich ablief. Es ist nicht um Äußerungen wie „Äh“, „Ähm“ oder „Mhm“ bereinigt. Auch Versprecher und Grammatikfehler wurden nicht korrigiert. Das mag auf diejenigen, die es nicht gewohnt sind, solche Interviews zu lesen, ungewohnt und halbfertig wirken. Ich will aber möglichst wenig verfälschen und nehme diese Wirkung in Kauf. Ich habe alles weitgehend so abgetippt, wie es gesagt wurde. Pausen und Verzögerungen sind durch ... gekennzeichnet. Die Kommasetzung folgt der Betonung, falls Satzteile im schnellen Anschluss gesprochen werden, lasse ich die Kommas weg. Das I steht für „Interviewer“, das R für „Respondent“, für denjenigen, der antwortet, hier also für Jessica.
Meine Gesprächspartnerin ist übrigens 25 Jahre alt und studiert seit zehn Semestern Soziologie und Geschichte. Ich kenne sie nicht besonders gut, habe sie aber bisher als gelassenen und bodenständigen Menschen erlebt. Ich glaube nicht, dass sich Jessica irgendwelche Geschichten ausdenken würde, nur um andere zu beeindrucken.
[Beginn der Aufnahme]
I: Okay, du hattest ja gestern nach dem Essen schon n bisschen erzählt und ähm ... wenn du einfach noch mal...
R: Gut äh ... also eigentlich gibt’s da nicht soo viel zu erzählen. Is ja eigentlich nichts richtig Konkretes passiert und...
I: Also muss auch nicht besonders spektakulär sein.
R: Okay, wie gesagt, das war jetzt vor vielleicht zwei Wochen, da bin ich auf S3 gesessen und hab gelernt. Und dann ist eben...
I: Wie spät wars da ungefähr?
R: So gegen sieben, vielleicht halb sieben, und äh ich bin da gesessen und es war schon ziemlich leer und ruhig, ab und zu jemand am Kopierer, aber gesessen bin ich allein und da hör ich hinter mir so Schritte, also einfach als ob jemand auf mich zu läuft.
I: Waren das eher schwere Schritte oder eher ... also wie gut hat man die gehört ?
R: Das waren jetzt keine richtig schweren Schritte, also kein Aufstampfen. Da ist ja auch Teppichboden, man
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