Saat des Himmels
wir
wechseln uns ab.“
„Was, AmUlzo, wird eigentlich aus
– uns werden?
Darüber haben wir…“ AusGarmi schwieg.
AmUlzo antwortete nicht sogleich. „Wir haben noch etwa
an die hundert hiesiger Jahre vor uns… Wir erfüllen unsre
Aufgabe, eine riesige schöne Aufgabe. Die Ergebnisse
werden kein vollständiges Bild ergeben, aber immerhin
unseren Nachfahren mehr vermitteln, als wir bislang
wissen.“
„In dreitausend Erdenjahren…“
„Wahrscheinlich.“ AmUlzo sprach leise.
AusGarmi gewahrte im schwachen Licht, wie seine
Augen die ihren suchten.
„Werden wir uns an die Direktive halten und keine
Nachkommen zeugen?“
„Gewiss – denn es wäre der Anfang einer nicht zu
verantwortenden Inzestkette. Du weißt um die schlimmen
Folgen…“
AmUlzo entspannte seinen Körper, damit er an den
AusGarmis hinfloss.
AusGarmi verspürte, wie sich das Spannungsfeld
aufbaute; gleichzeitig verlagerte sie sich so, dass es nur
noch einer geringen Bewegung bedurfte, bis sich die
Kontaktfelder berühren würden.
AmUlzo jedoch kam ihr zuvor, und das Feld spann die
beiden ein. Langsam verschmolzen sie zu einem Körper.
Der Gleiter stand nur weniges über den Köpfen der Menge.
Seit geraumer Zeit beobachteten AusGarmi und AmUlzo
den nicht enden wollenden Zustrom der Menschen. Diese
lagerten sich dicht an dicht an den Hängen des flachen, mit
verdorrtem Gras bedeckten Berges, der sich wie ein halber
Kegel an eine schroffe Felswand lehnte.
Einige der Versammelten waren offenbar von weit her
gekommen. Sie führten auf Eseln und Dromedaren Hausrat
mit und entfalteten ein regelrechtes Lagerleben. Es war, als
bereite sich eine Art fröhliche Feier vor. Fest stand aber
nur, dass der Messias zu einer Ansprache, einer Predigt,
geladen hatte, die am Abend stattfinden sollte.
Schon am Nachmittag, die Sonne stand noch hoch,
mochten Tausende den Berg belagert haben, und noch
immer strömten ihm aus der Ebene Gruppen von Menschen
zu, obwohl es – von oben betrachtet – so aussah, als wäre
der kleinste Platz bereits belegt.
In beiden Betrachtern stieg zunehmend Verwunderung.
Waren schon in den vergangenen Tagen die
Zusammenkünfte, bei denen Yoshua aufgetreten war,
außerordentlich und nicht nur von den jeweiligen
Ortsansässigen besucht gewesen, so erweckte diese
Versammlung den Eindruck, die gesamte Region sei
mobilisiert worden und eine Völkerwanderung finde statt.
Als die ersten Sonnenstrahlen am Felsgrat gebrochen
wurden und ein langer Schatten über die Pilger
hinwegzukriechen begann, näherte sich aus der Ebene eine
Gruppe von Menschen, die der Wand zusteuerte und
offenbar in der Kehle zwischen dieser und der Flanke des
Berges dessen Gipfel zu erreichen trachtete.
Noch bevor die Wanderer jedoch die Lagernden
erreichten, lösten sich von denen vielleicht zwanzig bis
dreißig Männer, die auf die Nahenden zustürzten und diese
plötzlich mit Steinen bewarfen, sie mit Fäusten und
Knüppeln traktierten.
„Das ist er!“, rief AusGarmi bestürzt. „Sie greifen ihn und
seine Begleiter an. Wir müssen…“ Sie brach ab. „Ah!“
stieß sie befriedigt hervor.
Das Geschehen am Fuße des Berges hatte sich
grundlegend verändert.
Offensichtlich waren andere der Versammelten auf den
Tumult aufmerksam geworden. Sie sprangen zu Hunderten
hinzu, prügelten auf die Angreifer ein, die angesichts der
Übermacht sehr schnell aufgaben und in die Ebene
hinausstoben – begleitet von einem Triumphgeschrei der
Menge.
Yoshua hob dankend die Arme, und er setzte, als sei
nichts geschehen, mit seinem Gefolge den Aufstieg fort,
nunmehr jedoch in einem freudigen Begrüßungsjubel.
„Denen haben sie es aber gegeben“, sagte AusGarmi
anerkennend.
AmUlzo wiegte den Sehkopf. „Trotzdem. Er wird
zunehmend angefeindet, insbesondere natürlich von den
Oberen seines eigenen Volks. Er stiehlt ihnen die Schau;
die Massen hören auf ihn – sieh dir diese Versammlung an!
Und wenn seine Feinde in Zukunft geschickter vorgehen,
als eben diese Gruppe… Oder stell dir vor, einer der Steine
hätte ihn tödlich getroffen.“
„So schnell stirbt sich’s für Menschen in meiner Nähe
nicht“, scherzte AusGarmi.
„Schon.“ AmUlzo blieb bedenklich. „Die Situation spitzt
sich offenbar zu. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die
okzidentale Besatzungsmacht die Entwicklung misstrauisch
betrachtet. Es geht um Einflüsse und Macht. Bis sich die
Situation stabilisiert hat, sollten wir enger zu ihm
aufrücken.“
Yoshua hatte den Gipfel des Berges erreicht. Er trat
Weitere Kostenlose Bücher