Saat des Himmels
wenig
Wehmut oder Unwillen in VonEtalis Worten mit, während
sie sich verabschiedete.
AusGarmi blickte aufmerksam. „Gefällt dir nicht, unsere
Regelung?“, fragte sie.
„Das ist es nicht“, antwortete VonEtali bedrückt. „An das
Alleinsein muss ich mich wahrscheinlich gewöhnen.“
„Etwa – eifersüchtig?“
VonEtali lachte auf. „Wir kommen doch ganz gut zurecht
– wir drei, oder?“
AmUlzo tat unbeteiligt, als habe er den Disput überhört.
„Wenn es für Yoshisch gefährlich wird, greifst du ein“,
verlangte er dann. „Überhaupt, wir bleiben in ständiger
Verbindung.“
5.
„Berichte!“, befahl harsch Keiphes Ben Nusa, seines
Zeichens Oberster Priester der Sadduzäer.
Er saß auf dem erhöhten steinernen Thron im kleinen
Forum des Vorbaus am Eingang des großen Tempels und
sah auf seine vier Berater herab, seine Getreuen, deren
Loyalität er sich deshalb sicher war, weil er ihre Schwächen
für kleine Abfälle aus dem Tempeltribut durchaus für seine
Interessen auszunutzen verstand.
Der schmale Kopf Keiphes’ ragte aus der grobleinenen
grauen Priestertunika, als sei er mit der hohen Lehne des
Prunkstuhls verwachsen und gleichsam als eine Art
abschreckenden Zierrats in diese eingemeißelt. Wie der
Schnabel eines Greifvogels ragte die Nase hervor. Außer
den schmal stehenden hellen Augen, die aus tief liegenden
Höhlen hervorstachen, bewegte sich in diesem
ausgemergelten Gesicht nichts. Selbst das scharf
hervorgestoßene Wort hatte keine sichtbare Veränderung
der strichartigen, blutleeren Lippen bewirkt.
Auch die aus den weiten Ärmeln herausragenden, äußerst
mageren, langfingrigen Hände, die mit Altersflecken
übersät waren und jede Sehne und Ader erkennen ließen,
schienen Teil der steinernen Armlehnen zu sein.
Jedermann in der gehobenen Bevölkerungsschicht der
Stadt, ob aus der Priesterschaft, dem Stand der Kaufleute
oder dem Ältestenrat, insbesondere aber die Berater des
Okkupators und seine hohen Militärs kannten den Einfluss
des Sadduzäers, und etliche fürchteten ihn.
Keiphes galt unter seinesgleichen als der streitbare,
unversöhnliche und kompromisslose Hüter das Glaubens; er
war gleichsam dessen Hort und Schild. Seine Macht
gründete sich auf die Tempelgarde, rüde, gewalttätige
Burschen, deren Kerbhölzer allesamt arg bearbeitet waren.
Diese verschlagene Schar hatte Keiphes völlig unter
seinen Einfluss gebracht hatte. Machtlose Widersacher
verbreiteten insgeheim, der Sadduzäer kollaboriere mit den
Besatzern und habe denen so manchen seiner Gegner ans
Messer geliefert.
Sich des Images seines Gegenübers offenbar völlig
bewusst, stand jener da, an den der Befehl, zu berichten,
ergangen war, ein dicklicher, rotwangiger Mann mittlerer
Jahre in ärmlicher Kleidung und äußerst devoter Haltung.
„Ja, Herr“, beeilte er sich zu antworten, mit dem Bemühen,
seiner Stimme Festigkeit zu geben. „Den ganzen Mond bin
ich mit ihm gezogen oder seinen Spuren gefolgt; denn du
musst wissen…“, er tat sich wichtig, richtete sogar seine
Gestalt gerade, „nicht stets kann ich mit ihm gehen, das
fiele auf – wie neulich in dem kleinen Fischerdorf Malern,
dort, wo er einen toten Mann wieder lebendig gemacht hat.
Ich wäre als Fremder aufgefallen. Da bin ich erst
hingegangen, als er bereits wieder fort war. Die Leute…“
„Berichte der Reihe nach!“, herrschte ihn der Oberste
Priester an.
„Gewiss, Herr“, und der Mann sackte wieder in seine
vorige Haltung. „Mein Versuch – nach deiner Empfehlung,
Herr –, einer seiner ständigen Gefolgschaft zu werden, ist
leider fehlgeschlagen. Er hat meine entsprechende Bitte
überhaupt nicht angehört, es war, als hätte er mich gar nicht
gesehen… Ich bin ihnen also in einem Abstand gefolgt oder
sogar…“, er hob wichtig machend eine Hand,
„vorausgeeilt. Denn die Kunde von seinem Kommen läuft
vor ihm her, und überall wo er auf seinem Weg Siedlungen
berührt, sammeln sich viele Leute, auch die aus der
Umgebung. Sie hören ihm zu und huldigen ihn. Und sie
werfen sich dankbar in den Staub, überwältigt von den
Wundern, die er vollbringt…“
„Was für Wunder schon wieder!?“, rief einer der vier
Berater des Keiphes, von diesem mit einem tadelnden Blick
bedacht.
„Ein Lahmer wurde gehend, ein Toter lebendig, mit fünf
Broten und zwei Fischen hat er mindestens dreihundert
Leute gesättigt. Er kann über das Wasser laufen; und einem
der Fischer hat er unzählige Fische ins Netz getrieben, als
der schon
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