SACHMET - KATZENDÄMMERUNG Band 2 - Horror - Thriller
Anstreicher in ein gleichmäßiges Schlammbad getaucht worden zu sein. Nichts war ihm entgangen, selbst die weitgefächerten Blätter der Palmen am unteren Ende der Straße wirkten seltsam matt und anämisch. Die zehrende Hitze hatte sie in traurige, kraftlose Staubwedel verwandelt.
Ich fragte mich, ob es wirklich nur dieser verdammte ›Teufelswind‹ war, der mich bedrückte. Oder gab es da etwas anderes? Etwas tatsächlich Beunruhigendes? Mein Blick wanderte über das Vordach die Straßenzeile entlang. Die Luft zitterte über dem Asphalt wie wässriges Gelee. Keine Menschenseele war zu entdecken. Selbst die stets herumschwärmenden Mücken hatten es vorgezogen, ihre ausgelassenen Tänze in die kühleren Abendstunden zu verlegen. Nicht zum ersten Mal drängte sich mir der Eindruck auf, ich befände mich in einer verlassenen Geisterstadt.
Taschas Wohnsitz lag ohnehin nicht in einer ›Upper-Class-Gegend‹ – ganz im Gegenteil; während der letzten Monate hatte sich das Viertel mehr und mehr in ein abbruchreifes Ghetto verwandelt. Auf der gegenüberliegenden Häuserfront gab es jeden Tag mehr Fenster, die mit dicken Brettern vernagelt wurden. Das Gold – oder was immer die früheren Bewohner hierhin gelockt hatte – war offenbar verschwunden. Also verschwanden auch die Menschen. Weiter oben, nahe der Kreuzung View Drive /Thessalia Street hatten die emsigen Abbruchfirmen bereits zwei dunkle Löcher in die Häuserreihe gerissen. Das Viertel grinste mich seitdem mit einem hämischen, kariösen Gebiss an. Es hatte ganz den Anschein, als eroberte die Wüste das mühsam von ihr errungene Gebiet nach und nach wieder zurück. An den Rändern der weitläufigen Stadt vollzog sich dieser Kampf dagegen eher schleichend; niemand machte sich hier die Mühe, ein Gebäude abzureißen. In dünner besiedelten Gebieten wie etwa im Norden nahe des Zoos wuchs die Zahl der ›toten Häuser‹ (so nannten sie die Einheimischen) stetig an. Für mich war es eher ein dünner Ring aus Geisterhäusern, der die Stadt immer fester umschloss.
Meine zunehmend düstere Stimmung wurde zu einem Spiegelbild meiner Umgebung. Oder war es umgekehrt?
Trotz allem war ich nie auf den Gedanken gekommen, die Wohnung aufzugeben. Die Miete war trotz der riesigen Fläche recht erschwinglich, und wo sonst hätte ich die vielen Skulpturen, Reliefs und Papyrus-Schriften Nataschas lagern sollen? In den drei Zimmern meines alten Appartements wäre gerade Platz für einen winzigen Bruchteil der Sammlung gewesen. Ein Auszug wäre mir zudem wie ein Verrat erschienen; schließlich hatte ich in diesen Wänden die glücklichsten Stunden meines Lebens verbracht.
Und warum überhaupt fliehen? Vor wem? Vor was? Ich lebte hier schließlich nicht wie ein zurückgezogener Eremit, wie viele meiner Freunde und Berufskollegen glaubten. Oh, nein. Ich war nicht allein. Meine Geliebte hatte ihr Wort gehalten und war zu mir zurückgekehrt; wenn auch in einem anderen Körper. Niemand würde dieses Wunder begreifen können, und so hatte ich auch wohlweislich jeden Versuch einer Erklärung unterlassen. Sollten die Leute doch über mich denken, was sie wollten, mir war es einerlei. Ich war glücklich, denn es gab jemanden, der mich stets sehnsuchtsvoll zu Hause erwartete: Tascha.
So war es jedenfalls die erste Zeit über gewesen, die ersten Wochen, die ersten Monate. Wie verrückt hatte ich meiner wundervollen Tascha den kleinsten Wunsch von ihren Lippen – nein, eher von ihrer zarten Schnauze – abgelesen. Die feinsten Leckereien hatte ich der Katze zubereitet, sie gestreichelt und liebkost. Wenn Taschas rosa Zunge dann zärtlich über mein Gesicht fuhr, war dies Belohnung genug für mich.
Ihre äußere Hülle mochte noch so verschieden, so anders sein, Tascha war immer noch meine hingebungsvolle, wilde, hemmungslose Geliebte. Ich fühlte mich anfangs nie abnorm oder pervers, weil ich nackt mit einer Katze im Bett lag. Ich wusste halt, dass dieses dunkle, seidige Fell eine menschliche, wenn nicht gar göttliche Seele beherbergte. Bei jedem Blick in die Augen des Tieres überrollte mich der Geist Nataschas wie eine elektrisierende Woge.
»Ja, ich bin es« , schien sie zu sagen. »Die Tatzen des Ligers haben meine Haut zerfetzt, mein Blut vergossen, aber sie konnten mich nicht töten. Ich lebe weiter. Nur für dich. Für unsere Liebe.« Nicht selten vernahm ich dabei Nataschas leises Lachen in meinem Rücken. Überallhin schien es mich zu begleiten. Ich hörte es auch dann,
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