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Sacramentum

Sacramentum

Titel: Sacramentum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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auf. Gabriel schaute auf die Wunde in der Brust. Es blubberte nicht mehr. Der Sanitäter schnappte sich die Sauerstoffmaske mit einer Hand und drückte sie John aufs Gesicht, während er mit der anderen auf die Wunde presste. Die Brust hob sich wieder, und Luft zischte an seiner Hand vorbei, doch als er sie wieder wegnahm, fiel die Brust erneut in sich zusammen. Die Lunge hatte aufgehört zu arbeiten. John Mann war tot.
    Der Reiter, der ihn gebracht hatte, drehte sich zu Gabriel um. »Abu?« , fragte er.
    Gabriel nickte. »Ja. Er war mein Vater.«
    »Er war guter Mann.«
    »Ja«, erwiderte Gabriel. »Ja, das war er.« Er schaute zu Liv. Sie war noch immer nicht bei Bewusstsein, aber sie hatte wieder Farbe im Gesicht und atmete tief und regelmäßig. Gabriel trat an ihre Seite und küsste sie auf die Stirn. Ihre Haut war kühl und ihr Atem warm auf seinem Gesicht. Dann drehte Gabriel sich zu dem Reiter um und deutete auf die AK-47 auf dessen Rücken. »Könnte ich mir die mal ausleihen?«
    Der Reiter gab sie ihm.
    »Danke. Bleib hier, und pass auf sie auf … auf beide. Ich bin gleich wieder zurück.«
*
    Wie sich herausstellte, war das Gewehr nicht nötig.
    In der Anlage leistete niemand mehr Widerstand. Alle waren viel zu abgelenkt von dem Wunder, dessen Zeuge sie geworden waren, als dass sie etwas anderes hätten tun können als staunen. Sie standen um den Bohrturm herum und starrten verwundert auf das Wasser, das aus der Ölquelle sprudelte. Im Osten stieg gerade die Sonne über den Horizont und füllte die Luft mit Regenbögen.
    Und Hyde starrte auch, doch ohne etwas zu sehen. Er lag auf dem Rücken und hatte beide Augen weit aufgerissen. Das linke war voller Blut und daneben eine tiefe Mulde in seinem Schädel, wo der Pferdehuf ihn getroffen hatte. Gabriel schaute auf ihn hinab. Er empfand gar nichts. Er hatte immer den Mann finden wollen, der seinen Vater ermordet hatte, und sich vorgestellt, wie er in rechtschaffenem Zorn Rache an ihm geübt hätte. Doch nun, da er ihn gefunden hatte, fühlte er sich einfach nur leer. Sein Vater war nicht der Mann gewesen, als den er sich ihn immer vorgestellt hatte, und Gleiches galt für sein Ende. Gabriel hatte unter falschen Voraussetzungen jahrelang um ihn getrauert, und jetzt, da er wirklich gestorben war, hatte er nichts mehr, was er hätte geben können … nichts außer Vergebung.
    Gabriel nahm Hydes M4, warf sie sich über die Schulter und ließ dann seinen Blick über die surreale Szene um sich herum schweifen. Über Jahrtausende hinweg hatten Könige und Kaiser Kriege um diesen trockenen Streifen Wüste geführt, und nun sprudelte Wasser aus der Erde und regnete in Strömen auf das Land herab.
    Jetzt fehlte nur noch das letzte Puzzleteil.
    Es dauerte nicht lange, und Gabriel fand die abgeschlossene Tür des Operationszentrums. Er trat einen Schritt zurück, schoss das Schloss mit der M4 weg, trat die Tür auf und ging hinein.
    An der Wand hing eine große, topografische Karte des Gebiets. Kleine Fähnchen markierten Grabungsorte, und auf einem Tisch in der Mitte lagen die Ergebnisse seismischer Untersuchungen und Fragmente antiker Steintafeln. Dazu kamen Kopien derselben irakischen Geheimdienstdokumente, die Washington Gabriel gezeigt hatte. Doch das alles war nicht, was Gabriel suchte.
    Die Sternenkarte lag in einer eigenen Schublade, geschützt von einer extra für sie angefertigten Schaumstoffeinlage. Sie war aus schwarzem Granit, von Rissen durchzogen und an den Rändern voller Absplitterungen, doch die Symbole waren klar und deutlich zu erkennen. Dr. Anata hatte recht gehabt. In der Mitte war das gleiche T zu sehen wie auf dem Imago Astrum im Britischen Museum. Der Referenzpunkt war derselbe: das antike Babylon in der Nähe des heutigen Al-Hillah. Gabriel betrachtete die Markierungen und erkannte die Punkte, die das Sternbild des Drachen darstellten. Die wiederum wiesen auf eine schlichte Gruppe von Symbolen, die auf den Garten Eden hinwiesen: ein Baum, einige Zeichen, von denen Gabriel vermutete, dass es sich um Entfernungsangaben handelte, und ein simples Strichmännchen.
    Gabriel nahm den Stein aus seinem Bett und fühlte sein Gewicht. Kein Wunder, dass sein Großvater mit ihm nicht in den Graben hatte springen wollen. Gabriel fühlte auch weitere Symbole auf der Rückseite und drehte den Stein um. Die Rückseite enthielt einen eng geschriebenen Text, der offenbar in zwei verschiedenen Sprachen verfasst war. Gabriel kannte beide nicht. Den Rand bildeten

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