Sacramentum
sich eine Gruppe von vier Mönchen dem obersten Absatz der verbotenen Treppe.
Auch sie schwiegen, während sie die dunklen Stufen hinaufstiegen, jeder unter der Last der schweren Bürde, die sie trugen. Das uralte Gesetz, an das sie gebunden waren, war klar und eindeutig: Jeder, der sich ohne Erlaubnis hierher vorwagte, wurde exekutiert, um als abschreckendes Beispiel für all jene zu dienen, die das große Geheimnis des Berges ausspionieren wollten. Oder zumindest war das für gewöhnlich so. Nur waren das keine normalen Zeiten und die vier Männer auch keine gewöhnlichen Mönche.
Ihnen voran ging Bruder Axel. Sein rotbraunes Haar und der ebenso rote Bart passten perfekt zu der roten Soutane, die ihn als Wache auswies. Direkt hinter ihm folgte die schwarz gewandete Gestalt von Vater Malachi, dem Obersten Bibliothekar. Die dicke Brille und der krumme Rücken waren ein Erbe all der Jahrzehnte, die er über Bücher gebeugt verbracht hatte. Als Nächstes kam Vater Thomas, der so viele technologische Neuerungen in der Bibliothek installiert hatte. Er trug den schwarzen Rock eines Priesters. Und schließlich war da noch Athanasius in der schlichten braunen Soutane der Administrata. Mit seinem kahlen Schädel und dem rasierten Gesicht hob er sich deutlich von den anderen Mönchen ab, die allesamt Bärte trugen. Jeder der vier war das Oberhaupt einer bestimmten Gilde … mit Ausnahme von Athanasius, der die Stelle des verstorbenen Abts einnahm. Gemeinsam hatten sie den Berg geführt, seit die Explosion sie der herrschenden Elite beraubt hatte, und gemeinsam hatten sie auch die Entscheidung getroffen, das große Geheimnis zu suchen, dessen Wächter sie nun waren.
Sie erreichten das Ende der Treppe und versammelten sich in der Dunkelheit einer kleinen Höhle. Im Licht der Fackeln sahen sie grob behauene Wände und mehrere schmale Tunnel, die in verschiedene Richtungen führten.
»Wo entlang?« In der engen Kammer wirkte Bruder Axels Stimme irgendwie zu voll. Er war fast den ganzen Weg vorangeeilt und die Stufen hinaufgestapft, als wäre er dafür geboren, doch nun schien er genauso zu zögern wie die anderen auch.
Herauszufinden, was sich in der Kapelle des Sakraments verbarg, war normalerweise der Höhepunkt im Leben eines Mönches, etwas, das nur passierte, wenn man in die elitären Reihen der Sancti erhoben wurde. Doch die vier hatte niemand hierher eingeladen, und instinktiv empfanden sie eine Mischung aus Angst und Faszination.
Axel trat einen Schritt vor und hielt die Fackel in die Höhe. In die Felswand waren Nischen gehauen, und Wachs verriet, wo einst Kerzen gebrannt hatten. Er ließ das Licht seiner Fackel über sämtliche Tunnel wandern und deutete dann auf den mittleren. »Da ist mehr Wachs. Also ist er auch häufiger benutzt worden als die anderen. Dort muss die Kapelle liegen.«
Ohne auf die Bestätigung der anderen zu warten, duckte er sich in den niedrigen Tunnel. Die anderen folgten ihm. Athanasius bildete widerwillig die Nachhut. Er wusste, dass Axel recht hatte. Erst ein paar Tage zuvor hatte er diesen verbotenen Boden bereits allein betreten und die Schrecken gesehen, die sich in der Kapelle verbargen. Nun atmete er tief durch und bereitete sich darauf vor, sich ihnen erneut zu stellen.
Im Licht der Fackeln waren krude Darstellungen von gequälten Frauen an den Wänden zu sehen, und je weiter sie gingen, desto ausgeblichener wurden die Bilder, bis sie schließlich vollständig verschwanden und der schmale Tunnel einer größeren Vorkammer wich.
Instinktiv drängten die Männer sich aneinander, während sie mit ihren Fackeln die Dunkelheit erkundeten. An einer Seite befand sich eine kleine Feuerstelle, ähnlich der eines Schmiedes. Sie war schwarz von Ruß und Asche, doch kein Feuer brannte darin. Davor standen drei runde Schleifsteine auf stabilen Holzgestellen, die von Pedalen angetrieben wurden, und an der Rückwand lag ein großer, kreisrunder Stein mit einem eingemeißelten Symbol, dem Tau. Er war beiseitegerollt worden, und dahinter war ein Durchgang zu sehen.
»Die Kapelle des Sakraments«, sagte Axel und starrte in die Dunkelheit jenseits der Tür. Einen Augenblick lang standen sie alle nur nervös da, als hätten sie Angst, gleich würde sich aus der Finsternis eine Bestie auf sie stürzen. Zum Schluss war es erneut Axel, der den Bann brach. Er trat vor und hielt die Fackel wie einen Talisman vor sich. Das Licht trieb die Dunkelheit zurück. Zuerst waren jenseits der Tür noch mehr
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