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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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ehemaliger Bischof, der sich im Marienkloster zur Ruhe gesetzt hat. Er wird Ihnen helfen.
    STAWROGIN (schaut ihn an)
    Wer könnte mir in dieser Welt noch helfen? Nicht einmal Sie, Schatow. Sie kennen meine Bitte, es ist meine letzte. Gute Nacht.
    Dunkel
    Siebtes Bild
    (Eine Pontonbrücke, Regen. STAWROGIN geht in eine Richtung, er hat seinen Schirm geöffnet. FEDKA taucht hinter ihm auf.)
    FEDKA
    Dürfte ich wohl unter Ihrem Schirm Schutz suchen, gnädiger Herr?
    STAWROGIN (bleibt stehen. Das Gespräch findet unter dem Schirm statt, Auge in Auge.)
    Wer bist du?
    FEDKA
    Ich? Ein Niemand. Aber Sie sind Nikolai Stawrogin, ein hoher Herr!
    STAWROGIN
    Du bist Fedka, der Sträfling!
    FEDKA
    Ich bin kein Sträfling mehr. Zwar war ich zu lebenslänglich verurteilt, aber das fand ich ein bisschen sehr lang und habe den Beruf gewechselt.
    STAWROGIN
    Was tust du hier?
    FEDKA
    Nichts. Ich brauche einen Pass. In Russland kann man ohne Pass keinen Schritt mehr tun. Zum Glück will ein Bekannter von Ihnen mir einen verschaffen, Pjotr Werchowenski. Und jetzt habe ich auf Sie gewartet, in der Hoffnung, dass Euer Gnaden mir drei Rubelchen verehren.
    STAWROGIN
    Wer hat dich auf mich angesetzt?
    FEDKA
    Niemand, niemand! Obwohl, Pjotr Werchowenski hat gesagt, ich könnte Euer Gnaden möglicherweise mit meinen Talenten zu Diensten sein, etwa falls jemand Sie belästigt. Außerdem hat er gesagt, Sie würden über diese Brücke kommen, um jemanden auf der anderen Seite des Flusses zu besuchen. Ich warte schon seit drei Nächten. Sehen Sie, ich habe mir die drei Rubel verdient.
    STAWROGIN
    Gut. Hör zu. Ich bin ein Freund klarer Worte. Du bekommst keine Kopeke von mir, ich brauche dich nicht und werde dich nie brauchen. Wenn du mir jemals wieder über den Weg läufst, auf dieser Brücke oder sonst wo, fessle ich dich und übergebe dich der Polizei.
    FEDKA
    Gut, aber ich brauche Sie.
    STAWROGIN
    Verschwinde, oder ich schlage zu.
    FEDKA
    Bitte, gnädiger Herr, ich bin ein armes, wehrloses Waisenkind, und es regnet!
    STAWROGIN
    Mein Ehrenwort, beim nächsten Mal bist du fällig.
    FEDKA
    Ich werde trotzdem auf Sie warten. Man kann nie wissen!
    ( FEDKA verschwindet. STAWROGIN sieht ihm nach, dann geht er weiter.)
    Dunkel
    Achtes Bild
    (Bei Lebjadkin. STAWROGIN ist bereits im Zimmer. LEBJADKIN nimmt ihm eben den Regenschirm ab.)
    LEBJADKIN
    Scheußliches Wetter! Sie sind ganz nass! (Zieht einen Sessel heran) Bitte sehr, bitte sehr. (Richtet sich wieder auf) Aha, Sie schauen sich das Zimmer an. Sie sehen, ich lebe wie ein Mönch. Abstinenz, Einsamkeit, Armut, ganz nach den Gelübden der alten Ritter.
    STAWROGIN
    Meinen Sie, die alten Ritter legten solche Gelübde ab?
    LEBJADKIN
    Ich weiß nicht. Vielleicht bringe ich da etwas durcheinander.
    STAWROGIN
    Ganz sicher. Ich hoffe, Sie haben nicht getrunken.
    LEBJADKIN
    Ein winziges bisschen.
    STAWROGIN
    Ich habe gesagt, Sie sollen nüchtern bleiben.
    LEBJADKIN
    Ja. Seltsame Forderung!
    STAWROGIN
    Wo ist Marja Timofejewna?
    LEBJADKIN
    Nebenan.
    STAWROGIN
    Schläft sie?
    LEBJADKIN
    Oh nein, sie befragt die Karten. Sie erwartet Sie. Sobald sie erfahren hat, dass Sie kommen würden, hat sie sich fein gemacht.
    STAWROGIN
    Ich gehe gleich hinein. Erst habe ich etwas mit Ihnen zu besprechen.
    LEBJADKIN
    Hoffentlich. So viel hat sich in meinem Herzen angestaut. Ich würde gern frei mit Ihnen sprechen, wie früher. Ach, Sie haben eine große Rolle für mich gespielt. Und jetzt werde ich grausam behandelt.
    STAWROGIN
    Wie ich sehe, Hauptmann, haben Sie sich in den letzten vier Jahren nicht verändert. (Er schaut ihn schweigend an.)
    [Dann haben diejenigen also recht, die behaupten, die zweite Hälfte des Menschenlebens würde von den Gewohnheiten der ersten bestimmt.
    LEBJADKIN
    Oh! Welch erhabene Worte! Endlich ist das Rätsel des Lebens gelöst! Und dennoch,]
    ich bin im Gegenteil dabei, mich zu häuten wie eine Schlange. Außerdem habe ich mein Testament gemacht.
    STAWROGIN
    Kurios. Was wollen Sie hinterlassen, und wem?
    LEBJADKIN
    Mein Skelett, den Studenten.
    [ STAWROGIN
    Und wollen zu Lebzeiten eine Belohnung dafür?
    LEBJADKIN
    Warum nicht? Wissen Sie, in der Zeitung stand die Lebensgeschichte eines Amerikaners. Er hat sein ungeheures Vermögen wissenschaftlichen Einrichtungen hinterlassen, sein Skelett den Studenten der örtlichen Akademie, und mit seiner Haut sollte eine Trommel bespannt und auf dieser Tag und Nacht die amerikanische Nationalhymne gespielt werden. Leider sind wir Zwerge verglichen mit

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