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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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alles ist gut.
    STAWROGIN
    Sogar wenn …
    (Er hält inne.)
    KIRILLOW
    Ja?
    STAWROGIN
    Wenn man einem der Kinder, die Sie lieben, etwas Böses angetan hat, einem kleinen Mädchen zum Beispiel, wenn man es entehrt, ist das auch gut?
    KIRILLOW (betrachtet ihn schweigend)
    Haben Sie das getan? ( STAWROGIN schweigt und schüttelt mit einer seltsamen Bewegung den Kopf.) Wenn man so etwas Böses tut, dann ist es auch gut. Und wenn jemand diesem Kinderschänder den Schädel einschlägt, oder ganz anders, wenn ihm vergeben wird, dann ist das alles gut. Wenn wir das wissen, dann sind wir für immer glücklich.
    STAWROGIN
    Wann haben Sie festgestellt, dass Sie glücklich sind?
    KIRILLOW
    Letzten Mittwoch. Nachts. Um zwei Uhr fünfunddreißig.
    STAWROGIN (steht unvermittelt auf)
    Sind Sie derjenige, der das Lämpchen vor der Ikone anzündet?
    KIRILLOW
    Ja.
    [ STAWROGIN
    Sie beten?
    KIRILLOW
    Unablässig. Sehen Sie diese Spinne? Ich betrachte sie und bin ihr dankbar, dass sie dort entlangkrabbelt. Das ist meine Art des Gebets.
    STAWROGIN
    Glauben Sie an das zukünftige Leben?
    KIRILLOW
    Nicht an das ewige zukünftige Leben. Sondern an das ewige Leben hienieden.
    STAWROGIN
    Auf Erden?
    KIRILLOW
    Ja. Manchmal, für einen Augenblick. Wenn diese Freude länger als fünf Sekunden anhalten würde, müsste man daran sterben.]
    STAWROGIN (betrachtet ihn etwas enttäuscht)
    Und Sie behaupten, Sie glauben nicht an Gott!
    KIRILLOW
    Bitte, Stawrogin, keine Ironie. Vergessen Sie nicht, was Sie für mich getan haben, welche Rolle Sie in meinem Leben spielen.
    STAWROGIN
    Es ist spät. Seien Sie morgen früh pünktlich bei Gaganow. Um neun!
    KIRILLOW
    Ich bin pünktlich. Ich kann aufwachen, wann immer ich will. Sagen wir einmal, ich gehe um sieben Uhr zu Bett; und um sieben wache ich wieder auf.
    STAWROGIN
    Das ist eine wertvolle Fähigkeit.
    KIRILLOW
    Ja.
    STAWROGIN
    Dann gehen Sie jetzt schlafen. Aber sagen Sie zuvor Schatow, dass ich ihn sprechen möchte.
    KIRILLOW
    Einen Moment. (Nimmt einen Stock aus der Ecke und haut an die Seitenwand) So, jetzt wird er kommen. Und Sie, wollen Sie nicht schlafen? Sie müssen sich morgen duellieren.
    STAWROGIN
    Meine Hand zittert nicht, auch wenn ich müde bin.
    KIRILLOW
    Das ist eine wertvolle Fähigkeit. Gute Nacht.
    SCHATOW (ist in der Tür hinten aufgetaucht. KIRILLOW lächelt ihm zu und geht zur seitlichen Tür hinaus. SCHATOW sieht STAWROGIN an, kommt dann langsam herein.)
    Ich habe mir furchtbare Sorgen gemacht! Warum kommen Sie so spät?
    STAWROGIN
    Waren Sie sicher, dass ich komme?
    SCHATOW
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Sie mich im Stich lassen. Ich brauche Sie unbedingt. Vergessen Sie nicht die Rolle, die Sie in meinem Leben gespielt haben.
    STAWROGIN
    Warum haben Sie mich dann geohrfeigt? ( SCHATOW schweigt.) Wegen meines Verhältnisses mit Ihrer Frau?
    SCHATOW
    Nein.
    STAWROGIN
    Wegen der Gerüchte über Ihre Schwester und mich?
    SCHATOW
    Ich glaube nicht.
    STAWROGIN
    Gut. Es ist auch unwichtig. Da ich nicht weiß, wo ich morgen Abend sein werde, komme ich lediglich, um Sie zu warnen und Sie um einen Gefallen zu bitten. Die Warnung: Man will Sie ermorden.
    SCHATOW
    Ermorden, wer?
    STAWROGIN
    Pjotr Werchowenski und seine Gruppe.
    [ SCHATOW
    Hab ich’s doch gewusst. Aber woher wissen Sie das?
    STAWROGIN
    Ich gehöre zu seiner Gruppe. Wie Sie auch.
    SCHATOW
    Sie wollen Mitglied dieser Gesellschaft sein, Sie haben sich diesen eitlen, hirnlosen Kriechern angeschlossen? Wie konnten Sie nur? Ist das eines Nikolai Stawrogin würdig?
    STAWROGIN
    Verzeihen Sie, aber Sie sollten aufhören, mich als den Zaren aller Reußen zu betrachten und sich selber daneben als ein Staubkorn.
    SCHATOW
    Hören Sie mit diesem Ton auf! Sie wissen sehr gut, dass das Kriecher und Schurken sind und Sie nichts bei ihnen verloren haben!
    STAWROGIN
    Natürlich sind das Schurken. Aber was ändert das? Um genau zu sein, ich gehöre nicht richtig zu ihrer Gruppe. Ich habe ihnen gelegentlich geholfen, aber als Liebhaber, als Amateur, und weil ich nichts Besseres zu tun hatte.
    SCHATOW
    So etwas kann man aus Liebhaberei tun?
    STAWROGIN
    Es kommt vor, dass man aus Liebhaberei heiratet, Kinder bekommt und Verbrechen begeht, alles als Amateur! Apropos Verbrechen, Sie sollen ermordet werden, nicht ich. Das ist jedenfalls die Absicht dieser Männer.]
    SCHATOW
    Sie haben mir nichts vorzuwerfen. Ich habe mich ihrer Organisation angeschlossen. Dann bin ich nach Amerika gegangen, dort hat sich meine Einstellung verändert, und das

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