Sämtliche Dramen
Schlaf gezeugt und Wachen? Drum,
Echtbürt’ger Edgar! Mein wird noch dein Land: –
Des Vaters Liebe hat der Bastard Edmund
Wie der Echtbürt’ge. Schönes Wort: echtbürtig!
Wohl, mein Echtbürt’ger, wenn dies Brieflein wirkt
Und mein Erfinden glückt, stürzt den Echtbürt’gen
Der Bastard Edmund. Ich gedeih’, ich wachse!
Nun, Götter, schirmt Bastarde! –
Gloster kommt.
Gloster
.
Kent so verbannt! – Frankreich im Zorn gegangen!
Der König fort zu Nacht! – Der Kron’ entsagt! –
Beschränkt auf Unterhalt! – Und alles das
Im Nu! – Edmund! Was gibt’s? Was hast du Neues?
Edmund
steckt den Brief ein. Verzeih’ Euer Gnaden, nichts.
Gloster
. Warum steckst du so eilig den Brief ein? –
Edmund
. Ich weiß nichts Neues, Mylord.
Gloster
. Was für ein Blatt lasest du?
Edmund
. Nichts, Mylord.
Gloster
. Nichts? –Wozu denn die erschreckliche Eil’ damit in deine Tasche? – Ein eigentliches Nichts bedarf keiner solchen Hast, sich zu verstecken. Laß sehn! Gib! Wenn es Nichts ist, brauche ich keine Brille.
Edmund
. Ich bitte, Herr, verzeiht; es ist ein Brief meines Bruders, den ich noch nicht ganz durchgesehen, und so weit ich bis jetzt las, finde ich den Inhalt nicht für Eure Durchsicht geeignet.
Gloster
. Gib mir den Brief, sag’ ich!
Edmund
. Ich werde Unrecht tun, ich mag ihn geben oder behalten. Der Inhalt, so weit ich ihn verstehe, ist zu tadeln.
Gloster
. Laß sehn, laß sehn!
Edmund
. Ich hoffe zu meines Bruders Rechtfertigung, er schrieb dies nur als Prüfung und Versuchung meinerTugend.
Gloster
liest. »Dieses Herkommen, diese Ehrfurcht vor dem Alter verbittert uns die Welt für unsre besten Jahre; entzieht uns unser Vermögen, bis unsre Hinfälligkeit es nicht mehr genießen kann. Ich fange an, eine alberne, törichte Sklaverei in diesem Druck bejahrter Tyrannei zu finden, die da herrscht, nicht weil sie Macht hat, sondern weil man sie duldet. Komm zu mir, daß ich weiter hierüber rede! Wenn unser Vater schlafen wollte, bis ich ihn weckte, solltest du für immer die Hälfte seiner Einkünfte genießen und der Liebling sein deines Bruders Edgar.« – Hum! – Verschwörung! – »Schlafen wollte, bis ich ihn weckte, – die Hälfte seiner Einkünfte genießen,« – mein Sohn Edgar! Hatte er eine Hand, dies zu schreiben? ein Herz und ein Gehirn, dies auszubrüten? Wann bekamst du dies? Wer brachte dir’s?
Edmund
. Es ward mir nicht gebracht, Mylord, das ist die Feinheit; ich fand’s durch das Fenster meines Zimmers geworfen.
Gloster
. Du erkennst deines Bruders Handschrift?
Edmund
. Wäre der Inhalt gut, Mylord, so wollte ich darauf schwören; aber, wenn ich auf diesen sehe, so möchte ich lieber glauben, sie sei es nicht.
Gloster
. Es ist seine Hand.
Edmund
. Sie ist’s, Mylord, aber ich hoffe, sein Herz ist dem Inhalte fern.
Gloster
. Hat er dich nie zuvor über diesen Punkt ausgeforscht?
Edmund
. Niemals, Mylord; doch habe ich ihn oft behaupten hören, wenn Söhne in reifen Jahren und die Väter auf der Neige ständen, dann sei von Rechts wegen der Vater des Sohnes Mündel, und der Sohn Verwalter des Vermögens.
Gloster
. O Schurke, Schurke! – Völlig der Sinn seines Briefes! – Verruchter Bube! Unnatürlicher, abscheulicher, viehischer Schurke! Schlimmer als viehisch! – Geh gleich, such’ ihn auf, ich will ihn festnehmen. – Verworfner Bösewicht! – Wo ist er? –
Edmund
. Ich weiß es nicht genau, Mylord. Wenn es Euch gefiele, Euren Unwillen gegen meinen Bruder zurückzuhalten, bis Ihr ihm ein beßres Zeugnis seiner Absichten entlocken könnt, so würdet Ihr sichrer gehen; wollt Ihr aber gewaltsam gegen ihn verfahren, und hättet Euch in seiner Absicht geirrt, so würde es Eure Ehre tödlich verwunden und das Herz seines Gehorsams zertrümmern. Ich möchte mein Leben für ihn zum Pfande setzen, daß er dies geschrieben hat, um meine Ergebenheit gegen Euch, Mylord, auf die Probe zu stellen, ohne eine gefährliche Absicht.
Gloster
. Meinst du?
Edmund
. Wenn’s Eu’r Gnaden genehm ist, stell’ ich Euch an einen Ort, wo Ihr uns darüber reden hören und Euch durch das Zeugnis Eures eignen Ohrs Gewißheit verschaffen sollt; und das ohne Verzug, noch diesen Abend.
Gloster
. Er kann nicht solch ein Ungeheuer sein.
Edmund
. Und ist’s gewiß nicht.
Gloster
. Gegen seinen Vater, der ihn so ganz, so zärtlich liebt! Himmel und Erde! Edmund, such’ ihn auf! – Forsche mir ihn aus, ich bitte dich, führe das Geschäft nach deiner eignen
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