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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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    Ritter
. Ich bitte Euch, verzeiht mir, Mylord, wenn ich mich irre, denn mein Diensteifer kann nicht schweigen, wenn ich Eure Hoheit beleidigt glaube.
    Lear
. Du erinnerst mich nur an meine eigne Wahrnehmung. Ich bemerkte seit kurzem eine sehr kalte Vernachlässigung, doch schob ich’s mehr auf meine argwöhnische Gemütsart, als auf einen wirklichen Vorsatz und absichtliche Unfreundlichkeit. – Ich will genauer darauf acht geben. Aber wo ist mein Narr? Ich hab’ ihn in zwei Tagen nicht gesehn.
    Ritter
. Seit der jungen Fürstin Abreise nach Frankreich, gnädiger Herr, hat sich der Narr ganz abgehärmt.
    Lear
. Still davon; ich hab’ es wohl bemerkt. Geht, und sagt meiner Tochter, ich wolle sie sprechen. Und Ihr, ruft meinen Narren!
    Der Haushofmeister kommt.
    O mein Freund, kommt doch näher! Wer bin ich, Kerl?
    Haushofmeister
. Myladys Vater.
    Lear
. Myladys Vater? Mylords Schurk’! Du verdammter Hund, du Lump, du Schuft!
    Haushofmeister
. Ich bin nichts von alle dem, Mylord, ich bitte mir’s aus.
    Lear
. Wirfst du mir Blicke zu, du Hundsfott? Er schlägt ihn.
    Haushofmeister
. Ich lasse mich nicht schlagen, Mylord.
    Kent
schlägt ihm ein Bein unter. Auch kein Bein stellen, du niederträchtiger Fußballspieler?
    Lear
. Ich danke dir, Bursch, du dienst mir, und ich will dich lieben.
    Kent
. Kommt, Freund, steht auf, packt Euch! Ich will Euch Unterschied lehren; fort, fort! – Wollt Ihr Eure Flegelslänge noch einmal messen, so bleibt: sonst packt Euch! Fort! Seid Ihr klug? –so! –
    Er stößt den Haushofmeister hinaus.
    Lear
. Nun, mein freundlicher Gesell, ich danke dir, hier ist Handgeld auf deinen Dienst. Er gibt Kent Geld.
    Der Narr kommt.
    Narr
. Laß mich ihn auch dingen; hier ist meine Kappe.
    Lear
. Nun, mein schmuckes Bürschchen? Was machst du?
    Narr
. Höre, Freund, du tätst am besten, meine Kappe zu nehmen.
    Lear
. Warum, mein Kind?
    Narr
. Warum? Weil du’s mit einem hältst, der in Ungnade gefallen ist. Ja, wenn du nicht lächeln kannst, je nachdem der Wind kommt, so wirst du bald einen Schnupfen weghaben. Da, nimm meine Kappe: Sieh, dieser Mensch da hat zwei von seinen Töchtern verbannt und der dritten wider Willen seinen Segen gegeben; wenn du dem folgen willst, mußt du notwendig meine Kappe tragen. Nun, wie steht’s, Gevatter? Ich wollt’, ich hätte zwei Kappen und zwei Töchter! –
    Lear
. Warum, mein Söhnchen?
    Narr
. Wenn ich ihnen all meine Habe geschenkt hätte, die Kappen behielt’ ich für mich; ich habe meine; bettle du dir eine zweite von deinen Töchtern!
    Lear
. Nimm dich in acht, du! – Die Peitsche! –
    Narr
. Wahrheit ist ein Hund, der ins Loch muß und hinausgepeitscht wird, während Madame Schoßhündin am Feuer stehen und stinken darf.
    Lear
. Eine bittre Pille für mich! –
    Narr
zu Kent. Hör’, guter Freund, ich will dich einen Reim lehren.
    Lear
. Laß hören!
    Narr
. Gib acht, Gevatter!
    Halt’, was du verheißt,
    Verschweig’, was du weißt,
    Hab’ mehr, als du leihst,
    Reit’ immer zumeist,
    Sei wachsam im Geist,
    Nicht würfle zu dreist,
    Laß Dirnen und Wein
    Und Tanz und Schalmei’n,
    So findst du den Stein
    Der Weisen allein.
    Lear
. Das ist nichts, Narr.
    Narr
. Dann ist’s gleich dem Wort eines unbezahlten Advokaten; du gabst mir nichts dafür. Kannst du von nichts keinen Gebrauch machen, Gevatter?
    Lear
. Ei nein, Söhnchen, aus nichts wird nichts.
    Narr
. Bitt’ dich, sag ihm doch, gerade so viel trage ihm die Rente seines Landes; er wird’s einem Narren nicht glauben.
    Lear
. Ein bittrer Narr!
    Narr
. Weißt du den Unterschied, mein Junge, zwischen einem bittren Narren und einem süßen Narren?
    Lear
. Nein, Bursch, lehr’ ihn mich!
    Narr
.
    Der dir’s geraten, Lear,
    Dein Land zu geben hin,
    Den stell’ hierher zu mir,
    Oder stehe du für ihn:
    Der süß’ und bittre Narr
    Zeigt sich dir nun sofort,
    Der ein’ im scheck’gen Wams,
    Den andern siehst du dort.
    Lear
. Nennst du mich Narr, Junge?
    Narr
. Alle deine andern Titel hast du weggeschenkt, mit diesem bist du geboren.
    Kent
. Darin ist er nicht so ganz Narr, Mylord.
    Narr
. Nein, mein’ Seel’, Lords und andere große Herren würden’s mir auch nicht ganz lassen; hätt’ ich ein Monopol darauf, sie müßten ihr Teil daran haben, und die Damen ebenso, die würden mir auch den Narren nicht allein lassen; sie würden was abhaben wollen. Gib mir ein Ei, Gevatter, ich will dir zwei Kronen geben.
    Lear
. Was für zwei Kronen werden das sein?
    Narr
. Nun, nachdem ich das

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