Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
Vom Netzwerk:
nun wohl am meisten?
    Daß wir die reichste Gabe spenden, wo
    Verdienst sie und Natur heischt. Goneril,
    Du Erstgeborne, sprich zuerst!
    Goneril
.
    Mein Vater,
    Mehr lieb’ ich Euch, als Worte je umfassen,
    Weit inniger als Licht und Luft und Freiheit,
    Weit mehr, als was für reich und selten gilt,
    Wie Schmuck des Lebens, Wohlsein, Schönheit, Ehre,
    Wie je ein Kind geliebt, ein Vater Liebe fand.
    Der Atem dünkt mich arm, die Sprache stumm,
    Weit mehr als alles das lieb’ ich Euch noch.
    Cordelia
beiseit.
    Was sagt Cordelia nun? Sie liebt und schweigt.
    Lear
.
    All dies Gebiet, von dem zu jenem Strich,
    An schatt’gen Forsten und Gefilden reich,
    An vollen Strömen und weit grünen Triften,
    Beherrsche du: dir und Albaniens Stamm
    Sei dies auf ewig! Was sagt unsre zweite Tochter,
    Die teure Regan, Cornwalls Gattin? Sprich!
    Regan
.
    Ich bin vom selben Stoff wie meine Schwester
    Und schätze mich ihr gleich. Mein treues Herz
    Fühlt, all mein Lieben hat sie Euch genannt;
    Nur bleibt sie noch zurück: denn ich erkläre
    Mich als die Feindin jeder andern Lust,
    Die in der Sinne reichstem Umkreis wohnt,
    Und fühl’ in Eurer teuren Hoheit Liebe
    Mein einzig Glück.
    Cordelia
beiseit.
    Arme Cordelia dann! –
    Und doch nicht arm; denn meine Lieb’, ich weiß,
    Wiegt schwerer als mein Wort.
    Lear
.
    Dir und den Deinen bleib’ als Erb’ auf immer
    Dies zweite Dritteil unsers schönen Reichs,
    An Umfang, Wert und Anmut minder nicht,
    Als was ich Gon’ril gab. Nun unsre Freude,
    Du jüngste, nicht geringste, deren Liebe
    Die Weine Frankreichs und die Milch Burgunds
    Nachstreben; was sagst du, dir zu gewinnen
    Ein reichres Dritteil als die Schwestern? Sprich!
    Cordelia
.
    Nichts, gnäd’ger Herr!
    Lear
.
    Nichts?
    Cordelia
.
    Nichts.
    Lear
.
    Aus nichts kann nichts entstehn: sprich noch einmal!
    Cordelia
.
    Ich Unglücksel’ge, ich kann nicht mein Herz
    Auf meine Lippen heben; ich lieb’ Eu’r Hoheit,
    Wie’s meine Pflicht geziemt, nicht mehr, nicht minder.
    Lear
.
    Wie? Wie? Cordelia! Beßre deine Rede,
    Sonst schad’st du deinem Glück!
    Cordelia
.
    Mein teurer Herr,
    Ihr zeugtet, pflegtet, liebtet mich; und ich
    Erwidr’ Euch diese Wohltat, wie ich muß,
    Gehorch’ Euch, lieb’ Euch und verehr’ Euch hoch.
    Wozu den Schwestern Männer, wenn sie sagen,
    Sie lieben Euch nur? Würd’ ich je vermählt,
    So folgt dem Mann, der meinen Schwur empfing,
    Halb meine Treu’, halb meine Lieb’ und Pflicht.
    Gewiß, nie werd’ ich frein wie meine Schwestern,
    Den Vater nur allein zu lieben.
    Lear
.
    Und kommt dir das von Herzen?
    Cordelia
.
    Ja, mein Vater!
    Lear
.
    So jung und so unzärtlich?
    Cordelia
.
    So jung, mein Vater, und so wahr.
    Lear
.
    Sei’s drum! Nimm deine Wahrheit dann zur Mitgift:
    Denn bei der Sonne heil’gem Strahlenkreis,
    Bei Hekates Verderben, und der Nacht,
    Bei allen Kräften der Planetenbahn,
    Durch die wir leben und dem Tod verfallen,
    Sag’ ich mich los hier aller Vaterpflicht,
    Aller Gemeinsamkeit und Blutsverwandtschaft,
    Und wie ein Fremdling meiner Brust und mir
    Sei du von jetzt auf ewig! Der rohe Scythe,
    Ja, der die eignen Kinder macht zum Fraß,
    Zu sätt’gen seine Gier, soll meinem Herzen
    So nah stehn, gleichen Trost und Mitleid finden,
    Als du, mein weiland Kind.
    Kent
.
    O edler König!
    Lear
.
    Schweig’, Kent!
    Tritt zwischen den Drachen nicht und seinen Grimm;
    Sie war mein Liebling, und ich hofft’ auf Trost
    Von ihrer sanften Pflege. Fort! mir aus den Augen! –
    Sei Friede so mein Grab, als ich von ihr
    Mein Vaterherz losreiße! – Ruft mir Frankreich!
    Wer rührt sich? Ruft Burgund! – Ihr, Cornwall und Albanien,
    Zu meiner Töchter Mitgift schlagt dies Dritteil! –
    Stolz, den sie Gradheit nennt, vermähle sie!
    Euch beide kleid’ ich hier in meine Macht,
    Vorrang der Würd’ und allerhöchsten Glanz,
    Der Majestät umgibt. Wir, nach der Monde Lauf,
    Mit Vorbehalt allein von hundert Rittern,
    Die ihr erhaltet, wohnen dann bei euch,
    Nach Ordnung wechselnd. Wir bewahren nur
    Den Namen und des Königs Ehrenrecht; –
    Die Macht,
    Verwaltung, Rent’ und alle Staatsgewalt,
    Geliebte Söhn’, ist euer. Des zum Zeugnis
    Teilt diesen goldnen Reif!
    Kent
.
    Erhabner Lear,
    Den ich als meinen König stets geehrt,
    Geliebt als Vater, und als Herrn begleitet,
    Als höchsten Hort einschloß in mein Gebet, –
    Lear
.
    Der Bogen ist gespannt, entflieh’ dem Pfeil! –
    Kent
.
    Er falle nur, ob auch die Spitze
    Ins Herz mir bohrt: Sei Kent nur ohne Sitte,
    Wenn

Weitere Kostenlose Bücher