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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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Lear verrückt! Was tust du, alter Mann?
    Meinst du, daß Pflicht zu reden scheut, weil Macht
    Zum Schmeicheln sinkt? – Die Ehre fordert Gradheit,
    Wenn Kön’ge töricht werden. Bleibe Herrscher,
    Und mit der besten Überlegung hemme
    Die frevle Eil’! Mit meinem Leben bürg’ ich,
    Die jüngre Tochter liebt dich minder nicht,
    Noch ist der ohne Herz, des schwacher Klang
    Nicht Hohlheit widertönt.
    Lear
.
    Schweig’, Kent, bei deinem Leben!
    Kent
.
    Mein Leben galt mir stets nur als ein Pfand;
    Zu wagen gegen deinen Feind; gern opfr’ ich’s
    Für deine Wohlfahrt.
    Lear
.
    Aus den Augen mir!
    Kent
.
    Sieh besser, Lear, und laß mich immer bleiben
    Den Zielpunkt deines Auges!
    Lear
.
    Nun, beim Apoll! –
    Kent
.
    Nun, beim Apollo, König,
    Du rufst vergeblich deine Götter an.
    Lear
.
    O Sklav’! – Abtrünn’ger!
    Legt die Hand ans Schwert.
    Albanien
und
Cornwall
.
    Teurer Herr, laß ab! –
    Kent
.
    Tu’s, töte deinen Arzt und gib den Lohn
    Der schnöden Krankheit! Nimm zurück die Schenkung,
    Sonst, bis der Kehle Kraft versagt zu schrein,
    Sag’ ich dir, du tust Unrecht.
    Lear
.
    Höre mich,
    Rebell, bei deiner Lehnspflicht, höre mich!
    Weil du zum Wortbruch uns verleiten wolltest
    (Den wir noch nie gewagt) und stolz verwegen
    Dich drängtest zwischen unsern Spruch und Thron
    (Was unser Blut und Rang nicht dulden darf),
    Sprech’ ich als Herrscher jetzt; – nimm deinen Lohn!
    Fünf Tage gönnen wir, dich zu versehn
    Mit Schirmung vor des Lebens Ungemach:
    Am sechsten kehrst du den verhaßten Rücken
    Dem Königreich, und weilt am zehnten Tag
    In unserm Lande dein verbannter Leib,
    So ist’s dein Tod. Hinweg! Bei Jupiter,
    Dies widerruf’ ich nicht.
    Kent
.
    So leb’ denn wohl, Fürst! Zeigst du so dich, Lear,
    Lebt Freiheit auswärts und Verbannung hier.
    Dir, Jungfrau, sei’n die Götter mächt’ger Hort,
    Die richtig denkt und sprach das rechte Wort!
    Eu’r breites Reden sei durch Tat bewährt!
    Daß Liebeswort willkommne Frucht gebärt!
    Fahrt wohl, ihr Fürsten all’: Kent muß von hinnen,
    Im neuen Land ein Schicksal zu gewinnen.
    Er geht ab.
    Gloster kommt zurück mit Frankreich, Burgund und Gefolge.
    Gloster
.
    Hier sind Burgund und Frankreich, hoher Herr!
    Lear
.
    Fürst von Burgund,
    Zu Euch erst sprech’ ich, der mit diesem König
    Um unsre Tochter warb. Was als das Mind’ste
    Erwartet Ihr als Mitgift, oder steht
    Von Euerm Antrag ab?
    Burgund
.
    Erhabner König,
    Mir g’nügt, was Ihr freiwillig habt geboten,
    Und minder gebt Ihr nicht.
    Lear
.
    Mein würd’ger Herzog,
    Als sie uns wert war, schätzten wir sie so;
    Nun ist ihr Preis gesunken. Seht, da steht sie:
    Wenn etwas an der kleinen, schmucken Larve
    Oder sie ganz mit unserm Zorn dazu,
    Und weiter nichts, Eu’r Hoheit noch gefällt,
    So nehmt sie, sie ist Eu’r.
    Burgund
.
    Mir fehlt die Antwort.
    Lear
.
    Herr!
    Wollt Ihr mit allen Mängeln, die ihr eigen,
    Freundlos und neuverschwistert unserm Haß,
    Zur Mitgift Fluch, durch Schwur von uns entfremdet,
    Sie nehmen oder lassen?
    Burgund
.
    Herr, verzeiht,
    Mit der Bedingung endigt jede Wahl.
    Lear
.
    So laßt sie; bei der Macht, die mich erschuf,
    Ich nannt’ Euch all’ ihr Gut.
    Zu Frankreich.
    Ihr, großer König, –
    Nicht so weit möcht’ ich Eurer Lieb’ entwandern,
    Euch zu vermählen, wo ich hasse. Lenkt
    Zu besserm Ziel, ich bitt’ Euch, Eure Wünsche,
    Als auf dies Wesen, das Natur errötet
    Anzuerkennen.
    Frankreich
.
    Wahrlich, dies ist seltsam! –
    Daß sie, die eben noch Eu’r Kleinod war,
    Der Inhalt Eures Lobs, Balsam des Alters,
    Eu’r Bestes, Teuerstes, in diesem Nu
    So Unerhörtes tat, ganz zu zerreißen
    Solch reichgewebte Gunst! Traun, ihr Vergehn
    Muß unnatürlich, ungeheuer sein,
    Oder die Liebe, deren Ihr Euch rühmtet,
    Ist tadelnswert. So schlimm von ihr zu denken,
    Heischt Glauben, wie Vernunft ihn ohne Wunder
    Mir nimmer einimpft.
    Cordelia
.
    Dennoch bitt’ ich, Herr
    (Ermangl’ ich auch der schlüpfrig glatten Kunst,
    Zu reden nur zum Schein: denn, was ich ernstlich will,
    Vollbring’ ich, eh’ ich’s sage), daß Ihr zeugt,
    Es sei kein schnöder Makel, Mord noch Schmach,
    Kein zuchtlos Tun, noch ehrvergeßner Schritt,
    Der mir geraubt hat Eure Gnad’ und Huld.
    Nur, weil mir fehlt, – wodurch ich reicher bin, –
    Ein stets begehrend Aug’ und eine Zunge,
    Die ich mit Stolz entbehr’, obgleich ihr Mangel
    Mir Euern Beifall raubte.
    Lear
.
    Besser wär’s,
    Du lebtest nicht, als mir zur Kränkung

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