Sämtliche Dramen
Zucht halten, – ei, das Vermögen dazu und die bessernde Macht liegt durchaus in unserm freien Willen. Hätte der Waagbalken unsres Lebens nicht eine Schale von Vernunft, um eine andre von Sinnlichkeit aufzuwiegen, so würde unser Blut und die Bösartigkeit unsrer Triebe uns zu den ausschweifendsten Verkehrtheiten führen; aber wir haben die Vernunft, um die tobenden Leidenschaften, die fleischlichen Triebe, die zügellosen Lüste zu kühlen, und daraus schließe ich: was du Liebe nennst, sei ein Pfropfreis, ein Ableger.
Rodrigo
. Das kann nicht sein.
Jago
. Es ist nur ein Gelüst des Bluts, eine Nachgiebigkeit des Willens. Auf! Sei ein Mann! Dich ersäufen? Ersäufe Katzen und junge Hunde! Ich nenne mich deinen Freund und erkläre mich an dein Verdienst geknüpft mit dem Ankertau der ausdauerndsten Festigkeit; nie konnte ich dir besser beistehn als jetzt. Tu’ Geld in deinen Beutel, zieh’ mit in diesen Krieg, verstelle dein Gesicht durch einen falschen Bart; ich sage dir: tu’ Geld in deinen Beutel! Es ist undenkbar, daß Desdemona den Mohren auf die Dauer lieben sollte, – tu’ Geld in deinen Beutel! – noch der Mohr sie – es war ein gewaltsames Beginnen, und du wirst sehn, die Katastrophe wird eine ähnliche sein. Tu’ nur Geld in deinen Beutel: – so ein Mohr ist veränderlich in seinen Neigungen; fülle deinen Beutel mit Geld; – die Speise, die ihm jetzt so würzig schmeckt als Süßholz, wird ihn bald bittrer dünken als Koloquinthen. Sie muß sich ändern, denn sie ist jung, und hat sie ihn erst satt, so wird sie den Irrtum ihrer Wahl einsehn. Sie muß Abwechslung haben, das muß sie; darum tu’ Geld in deinen Beutel! Wenn du durchaus zum Teufel fahren willst, so tu’ es auf angenehmerem Wege als durch Ersäufen! Schaff’ dir Geld, so viel du kannst! Wenn des Priesters Segen und ein hohles Gelübde zwischen einem abenteuernden Afrikaner und einer überlistigen Venetianerin für meinen Witz und die ganze Sippschaft der Hölle nicht zu hart sind, so sollst du sie besitzen; darum schaff’ dir Geld! Zum Henker mit dem Ersäufen! Das liegt weit ab von deinem Wege. Denke du lieber drauf zu hängen, indem du deine Lust büßest, als dich zu ersäufen und sie fahren zu lassen!
Rodrigo
. Soll ich meine Hoffnung auf dich bauen, wenn ich’s drauf wage? –
Jago
. Auf mich kannst du zählen; – geh, schaffe dir Geld; – ich habe dir’s oft gesagt, und wiederhole es aber und abermals, ich hasse den Mohren; mein Grund kommt von Herzen, der deinige liegt ebenso tief: laß uns fest in unsrer Rache zusammen halten! Kannst du ihm Hörner aufsetzen, so machst du dir eine Lust, und mir einen Spaß. Es ruht noch manches im Schoß der Zeit, das zur Geburt will. Grade durch! – Fort! Treib’ dir Geld auf! Wir wollen es morgen weiter verhandeln. Leb wohl! –
Rodrigo
. Wo treffen wir uns morgen früh?
Jago
. In meiner Wohnung.
Rodrigo
. Ich werde zeitig dort sein.
Jago
. Gut, leb wohl! – Höre doch, Rodrigo!
Rodrigo
. Was sagst du? –
Jago
. Nichts von Ersäufen! Hörst du? –
Rodrigo
. Ich denke jetzt anders. Ich will alle meine Güter verkaufen.
Jago
.
Nur zu; tu’ nur Geld genug in deinen Beutel!
Rodrigo ab.
So muß mein Narr mir stets zum Seckel werden:
Mein reifes Urteil würd’ ich ja entweihn,
Vertändelt’ ich den Tag mit solchem Gimpel,
Mir ohne Nutz und Spaß. – Den Mohren hass’ ich;
Die Rede geht, er hab’ in meinem Bett
Mein Amt verwaltet – möglich, daß es falsch:
Doch ich, auf bloßen Argwohn in dem Fall,
Will tun, als wär’s gewiß. Er hat mich gern:
Um so viel besser wird mein Plan gedeihn.
Der Cassio ist ein hübscher Mann – laßt sehn!
Sein Amt erhaschen, mein Gelüste büßen, –
Ein doppelt Schelmstück! Wie nur? Laßt mich sehn: –
Nach ein’ger Zeit Othellos Ohr betören,
Er sei mit seinem Weibe zu vertraut –
Der Bursch ist wohlgebaut, von schmeid’ger Art,
Recht für den Argwohn, recht den Frau’n gefährlich.
Der Mohr nun hat ein grad’ und frei Gemüt,
Das ehrlich jeden hält, scheint er nur so;
Und läßt sich sänftlich an der Nase führen,
Wie Esel tun.
Ich hab’s, es ist erzeugt; aus Höll’ und Nacht
Sei diese Untat an das Licht gebracht!
Er geht ab.
¶
ZWEITER AUFZUG
Erste Szene
Hauptstadt in Cypern. Platz am Hafen.
Montano und zwei Edelleute treten auf.
Montano
.
Was unterscheidet man vom Damm zur See? –
Erster Edelmann
.
Nichts, weit und breit – ’s ist hochgeschwellte Flut;
Und nirgend zwischen
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