Sämtliche Dramen
Lohn sei Eurer Liebe nah!
Ab.
Helena
.
Wie kann das Glück so wunderlich doch schalten!
Ich werde für so schön wie sie gehalten.
Was hilft es mir, solang’ Demetrius
Nicht wissen will, was jeder wissen muß?
Wie Wahn ihn zwingt, an Hermias Blick zu hangen,
Vergöttr’ ich ihn, von gleichem Wahn befangen.
Dem schlechtsten Ding an Art und an Gehalt
Leiht Liebe dennoch Ansehn und Gestalt.
Sie sieht mit dem Gemüt, nicht mit den Augen,
Und ihr Gemüt kann nie zum Urteil taugen.
Drum nennt man ja den Gott der Liebe blind.
Auch malt man ihn geflügelt und als Kind,
Weil er, von Spiel zu Spielen fortgezogen,
In seiner Wahl so häufig wird betrogen.
Wie Buben oft im Scherze lügen, so
Ist auch Cupido falscher Schwüre froh.
Eh’ Hermia meinen Liebsten mußt’ entführen,
Ergoß er mir sein Herz in tausend Schwüren;
Doch, kaum erwärmt von jener neuen Glut,
Verrann, versiegte diese wilde Flut.
Jetzt geh’ ich, Hermias Flucht ihm mitzuteilen!
Er wird ihr nach zum Walde morgen eilen.
Zwar, wenn er Dank für den Bericht mir weiß,
So kauf’ ich ihn um einen teuren Preis.
Doch will ich, mich für meine Müh’ zu laben,
Hin und zurück des Holden Anblick haben.
Ab.
¶
Zweite Szene
Eine Stube in einer Hütte.
Squenz, Schnock, Zettel, Flaut, Schnauz und Schlucker kommen.
Squenz
. Ist unsre ganze Kompagnie beisammen?
Zettel
. Es wäre am besten, Ihr riefet (sie) auf einmal Mann für Mann auf, wie es die Liste gibt.
Squenz
. Hier ist der Zettel von jedermanns Namen, der in ganz Athen für tüchtig gehalten wird, in unserm Zwischenspiel vor dem Herzog und der Herzogin zu agieren, an seinem Hochzeittag zu Nacht.
Zettel
. Erst, guter Peter Squenz, sag uns, wovon das Stück handelt; dann lies die Namen der Akteurs ab, und komm so zur Sache!
Squenz
. Wetter, unser Stück ist – »die höchst klägliche Komödie und der höchst grausame Tod des Pyramus und der Thisbe«.
Zettel
. Ein sehr gutes Stück Arbeit, ich sag’s euch! und lustig! – Nun, guter Peter Squenz, ruf’ die Akteurs nach dem Zettel auf! – Meisters, stellt euch auseinander!
Squenz
. Antwortet, wie ich euch rufe! – Klaus Zettel, der Weber!
Zettel
. Hier! Sagt, was ich für einen Part habe, und dann weiter.
Squenz
. Ihr, Klaus Zettel, seid als Pyramus angeschrieben.
Zettel
. Was ist Pyramus? Ein Liebhaber oder ein Tyrann?
Squenz
. Ein Liebhaber, der sich auf die honetteste Manier vor Liebe umbringt.
Zettel
. Das wird einige Tränen kosten bei einer wahrhaftigen Vorstellung. Wenn ich’s mache, laßt die Zuhörer nach ihren Augen sehn! Ich will Sturm erregen, ich will einigermaßen lamentieren. Nun zu den übrigen; – eigentlich habe ich doch das beste Genie zu einem Tyrannen; ich könnte einen Herkles kostbarlich spielen, oder eine Rolle, wo man alles kurz und klein schlagen muß.
Der Felsen Schoß
Und toller Stoß
Zerbricht das Schloß
Der Kerkertür,
Und Phöbus’ Karr’n
Kommt angefahr’n
Und macht erstarr’n
Des stolzen Schicksals Zier:
Das ging prächtig. – Nun nennt die übrigen Akteurs! – –
Dies ist Herklessens Natur, eines Tyrannen Natur; ein Liebhaber ist schon mehr lamentabel.
Squenz
. Franz Flaut, der Bälgenflicker!
Flaut
. Hier, Peter Squenz.
Squenz
. Flaut, Ihr müßt Thisbe über Euch nehmen.
Flaut
. Was ist Thisbe? Ein irrender Ritter?
Squenz
. Es ist das Fräulein, das Pyramus lieben muß.
Flaut
. Ne, meiner Seel’, laßt mich keine Weiberrolle machen; ich kriege schon einen Bart.
Squenz
. Das ist alles eins! Ihr sollt’s in einer Maske spielen, und Ihr könnt so fein sprechen, als Ihr wollt.
Zettel
. Wenn ich das Gesicht verstecken darf, so gebt mir Thisbe auch. Ich will mit ’ner terribel feinen Stimme reden: »Thisne, Thisne! – Ach Pyramus, mein Liebster schön! Deine Thisbe schön, und Fräulein schön!«
Squenz
. Nein, nein! Ihr müßt den Pyramus spielen, und, Flaut, Ihr die Thisbe.
Zettel
. Gut, nur weiter!
Squenz
. Matz Schlucker, der Schneider!
Schlucker
. Hier, Peter Squenz.
Squenz
. Matz Schlucker, Ihr müßt Thisbes Mutter spielen. Thoms Schnauz, der Kesselflicker!
Schnauz
. Hier, Peter Squenz.
Squenz
. Ihr, des Pyramus Vater, ich selbst, Thisbes Vater; Schnock, der Schreiner, Ihr des Löwen Rolle. Und so wäre dann halt ’ne Komödie in den Schick gebracht.
Schnock
. Habt Ihr des Löwen Rolle aufgeschrieben? Bitt’ Euch, wenn Ihr sie habt, so gebt sie mir; denn ich habe einen schwachen Kopf zum Lernen.
Squenz
. Ihr könnt sie extempore
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