Sämtliche Dramen
nehmt’s für Eure Mühe;
Und so, mein lieber Diener, guten Morgen!
Silvia geht ab.
Flink
.
O unsichtbares Späßchen! das zu ergründen nicht geht!
Wie der Wetterhahn auf dem Turm, wie die Nas’ im Gesicht steht!
Es dient mein Herr und fleht ihr; doch sie wünscht ihn sich dreister
Und macht aus ihrem Schüler sich selber den Schulmeister.
O auserlesnes Kunststück! Gab’s je von dem Gelichter?
Mein Herr, als Sekretär, schreibt an sich selbst als Dichter.
Valentin
. Was räsonierst du so mit dir selbst?
Flink
. Nein, ich meinte nur; die Räson habt Ihr.
Valentin
. Um was zu tun?
Flink
. Freiwerber für Fräulein Silvia zu sein.
Valentin
. Für wen?
Flink
. Für Euch selbst, und sie wirbt um Euch figürlich.
Valentin
. Wie denn figürlich?
Flink
. Durch einen Brief, wollt’ ich sagen.
Valentin
. Sie hat ja an mich nicht geschrieben.
Flink
. Was braucht sie’s, da sie Euch an Euch selbst hat schreiben lassen? Nun, merkt Ihr den Spaß?
Valentin
. Nichts, wahrlich!
Flink
. Ihr nehmt nichts wahr, in der Tat, Herr. Aber merktet Ihr nicht ihren Ernst?
Valentin
. Es ward mir keiner, als ein zornig Wort.
Flink
. Sie gab Euch ja einen Brief.
Valentin
. Das ist der Brief, den ich an ihren Freund geschrieben habe.
Flink
. Und den Brief hat sie bestellt, und damit gut.
Valentin
. Ich wollte, es wäre nicht schlimmer.
Flink
.
Ich bürge Euch dafür, es ist grade so gut;
Denn oft geschrieben habt Ihr ihr, und sie, aus Sittsamkeit,
Weil Muß’ ihr auch vielleicht gefehlt, gab nimmer Euch Bescheid;
Vielleicht auch bang, daß Boten wohl Betrügerei verübten,
Hat sie die Liebe selbst gelehrt zu schreiben dem Geliebten.
Das sprech’ ich wie gedruckt, denn ich sah’s gedruckt. –
Was steht Ihr in Gedanken? Es ist Essenzeit.
Valentin
. Ich habe gegessen.
Flink
. Ja, aber hört, Herr: wenn auch das Chamäleon Liebe sich mit Luft sättigen kann, ich bin einer, der sich von Speise nährt, und möchte gern essen. Ach! seid nicht wie Eure Dame, laßt Euch rühren! laßt Euch rühren!
Beide gehn ab.
¶
Zweite Szene
Juliens Zimmer.
Proteus und Julia treten auf.
Proteus
.
Geduldig, liebe Julia!
Julia
.
Ich muß, wo keine Hülfe ist.
Proteus
.
Sobald ich irgend kann, kehr’ ich zurück.
Julia
.
Verkehrt sich Euer Sinn nicht, kehrt Ihr bald;
Nehmt dies als Eurer Julia Angedenken.
Sie gibt ihm einen Ring.
Proteus
.
So tauschen wir; nimm dies und denke mein!
Julia
.
Laß heil’gen Kuß des Bundes Siegel sein!
Proteus
.
Nimm meine Hand als Zeichen ew’ger Treue,
Und wenn im Tag mir eine Stund’ entschlüpft,
In der ich nicht um dich, o Julia, seufze,
Mag in der nächsten Stund’ ein schweres Unheil
Mich für Vergessenheit der Liebe strafen!
Mein Vater wartet mein; oh! sage nichts;
Die Flut ist da: nicht deiner Tränen Flut,
Die hält mich länger, als ich bleiben sollte.
Julia geht ab.
Julia, leb wohl! – Wie? Ohn’ ein Wort gegangen?
Ja, treue Lieb’ ist so, sie kann nicht sprechen.
Mit Taten schmückt sich Treu’ und nicht mit Worten.
Panthino tritt auf.
Panthino
.
Man wartet schon.
Proteus
.
Ich komme, geh nur fort!
Ach! Trennung macht verstummen Liebeswort.
Beide gehn ab.
¶
Dritte Szene
Straße.
Lanz tritt auf und führt einen Hund am Strick.
Lanz
. Nein, in einer ganzen Stunde werde ich nicht mit Weinen fertig; alle Lanze haben nun einmal den Fehler. Ich habe mein Erbteil empfangen, wie der verlorne Sohn, und gehe mit Herrn Proteus an den kaiserlichen Hof. Ich denke, Krabb, mein Hund, ist der allerhartherzigste Hund auf der ganzen Welt; meine Mutter weinte, mein Vater jammerte, meine Schwester schrie, unsre Magd heulte, unsre Katze rang die Hände, und unser ganzes Haus war im erbärmlichsten Zustand, da vergoß dieser tyrannische Köter nicht eine Träne; er ist ein Stein, ein wahrer Kieselstein, und hat nicht mehr Nächstenliebe als ein Hund; ein Jude würde geweint haben, wenn er unsern Abschied gesehn hätte; ja, meine Großmutter, die keine Augen mehr hat, seht ihr, die weinte sich blind bei meinem Fortgehn. Ich will euch zeigen, wie es herging: dieser Schuh ist mein Vater; nein, dieser linke Schuh ist mein Vater, – nein, dieser linke Schuh ist meine Mutter; nein, so kann es nicht sein; – ja, es ist so, es ist so; er hat die schlechteste Sohle; dieser Schuh mit dem Loch ist meine Mutter, und dieser mein Vater; hol’ mich der Henker! so ist’s; nun dieser Stock ist meine Schwester, denn seht ihr, sie ist so weiß wie eine Lilie und
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