Sämtliche Dramen
Herrscher anzubieten.
Antonio
.
In der Gesellschaft soll auch Proteus reisen,
Und grade recht, – jetzt will ich’s ihm verkünden.
Proteus tritt auf.
Proteus
.
O süße Lieb’! o süße Zeilen! süßes Leben!
Ja, hier ist ihre Hand, des Herzens Bürge;
Hier ist ihr Liebesschwur, der Ehre Pfand;
Oh! daß die Väter unsern Liebesbund
Und unser Glück durch ihren Beifall krönten!
Oh, Engel! Julia! –
Antonio
.
Wie steht’s? Was für ein Brief ist’s, den du liesest?
Proteus
.
Mein gnäd’ger Vater, wen’ge Zeilen nur,
In denen Valentin sich mir empfiehlt,
Und die ein Freund mir bringt, der ihn gesprochen.
Antonio
.
Gib mir den Brief; laß sehn, was er enthält!
Proteus
.
Durchaus nichts Neues, Herr; er schreibt mir nur,
Wie glücklich er dort lebt, wie sehr geliebt,
Und täglich wachsend in des Kaisers Gnade;
Er wünscht mich hin, sein Glück mit ihm zu teilen.
Antonio
.
Und fühlst du seinem Wunsche dich geneigt?
Proteus
.
Herr, Eurem Willen bin ich untertan,
Und nicht darf mir des Freunde Wunsch gebieten.
Antonio
.
Mein Wille trifft mit seinem Wunsch zusammen;
Sei nicht erstaunt, daß ich so schnell verfahre,
Denn was ich will, das will ich; kurz und gut,
Beschlossen ist es, daß du ein’ge Zeit
Mit Valentin am Hof des Kaisers lebst;
Was ihm zum Unterhalt die Seinen geben,
Sollst du von mir auch ebenfalls empfangen.
Auf morgen halt dich fertig abzugehn;
Kein Einwand gilt, unwiderruflich bleibt’s.
Proteus
.
Herr, nicht so schnell ist alles vorbereitet;
Nur ein, zwei Tag’, ich bitte, schiebt es auf!
Antonio
.
Ei, was du brauchst, das schicken wir dir nach;
Kein längres Zögern, morgen mußt du fort. –
Panthino, komm, du sollst mir Hülfe leisten,
Um eiligst seine Reise zu befördern.
Antonio und Panthino gehn ab.
Proteus
.
Das Feuer wollt’ ich fliehn, nicht zu verbrennen,
Und stürzte mich ins Meer, wo ich ertrinke;
Dem Vater wollt’ ich Julias Brief nicht zeigen,
Aus Furcht, er könne meine Liebe schelten;
Und aus dem Vorwand der Entschuldigung
Wird ihm die stärkste Hemmung meiner Liebe.
Oh! daß der Liebe Frühling, immer wechselnd,
Gleich des Apriltags Herrlichkeit uns funkelt;
Er zeigt die Sonn’ in ihrer vollen Pracht,
Bis plötzlich eine Wolk’ ihr Licht verdunkelt!
Panthino kommt zurück.
Panthino
.
Herr Proteus, Euer Vater ruft nach Euch;
Er ist sehr eilig; bitte, folgt mir gleich!
Proteus
.
Mein Herz ergibt sich, denn es muß ja sein;
Doch ruft es tausendmal mit Schmerzen, nein!
Sie gehn ab.
¶
ZWEITER AUFZUG
Erste Szene
Palast in Mailand.
Valentin und Flink treten auf.
Flink
.
Herr, Euer Handschuh!
Valentin
.
Das ist nicht der meine. –
Ha! laß mich sehn! Ja, gib ihn, er ist mein; –
O süßer Schmuck! der Köstliches hüllt ein! –
Ach Silvia! Silvia!
Flink
.
Fräulein Silvia! Fräulein Silvia!
Valentin
.
Was soll das, Bursch?
Flink
.
Sie ist nicht zu errufen.
Valentin
.
Ei, wer heißt dich, sie rufen?
Flink
. Euer Gnaden, oder ich müßte es falsch verstanden haben.
Valentin
. Ja, du bist immer zu voreilig.
Flink
. Und doch ward ich neulich gescholten, daß ich zu langsam sei.
Valentin
. Wohlan, sage mir, kennst du Fräulein Silvia?
Flink
. Sie, die Euer Gnaden liebt?
Valentin
. Nun, woher weißt du, daß ich liebe?
Flink
. Wahrhaftig, an diesen besondern Kennzeichen: Fürs erste habt Ihr gelernt, wie Herr Proteus, Eure Arme in einander zu winden wie ein Mißvergnügter; an einem Liebesliede Geschmack zu finden wie ein Rotkehlchen; allein einherzuschreiten wie ein Pestkranker; zu ächzen wie ein Schulknabe, der sein ABC verloren hat; zu weinen wie eine junge Dirne, die ihre Großmutter begrub; zu fasten wie einer, der in der Hungerkur liegt; zu wachen wie einer, der Einbruch fürchtet; winselnd zu reden wie ein Bettler am Allerheiligentage. Ihr pflegtet sonst, wenn Ihr lachtet, wie ein Hahn zu krähen; wenn Ihr einher ginget, wie ein Löwe zu wandeln; wenn Ihr fastetet, war es gleich nach dem Essen; wenn Ihr finster blicktet, war es, weil Euch Geld fehlte; und jetzt seid Ihr von Eurer Dame verwandelt, daß, wenn ich Euch ansehe, ich Euch kaum für meinen Herrn halten kann.
Valentin
. Bemerkt man alles dies in mir?
Flink
. Man bemerkt das alles außer Euch.
Valentin
. Außer mir? Das ist nicht möglich.
Flink
. Außer Euch? Nein, das ist gewiß, denn außer Euch wird kein Mensch so einfältig handeln; aber Ihr seid so außer diesen Torheiten, daß diese Torheiten in Euch sind und
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