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Sämtliche Dramen

Sämtliche Dramen

Titel: Sämtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Shakespeare
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ist zu schneidend, Fräulein.
    Julia
.
    Du bist zu vorlaut.
    Lucetta
.
    Nein, nun wird es matt.
    Einstimm’ges Lied hat keine Harmonie;
    Die Mittelstimme fehlt.
    Julia
.
    Die heisre Stimme
    Der Mittlerin zerstört die Harmonie.
    Lucetta
.
    Proteus bedarf wohl der Vermittlung nicht.
    Julia
.
    Nicht länger ärgre mich all dies Geschwätz;
    Welch ein verwirrtes Hin- und Her-Gerede! –
    Sie zerreißt den Brief.
    Geh, mach’ dich fort! Laß die Papiere liegen;
    Du hätt’st sie gern in Händen, mir zum Trotz.
    Lucetta
.
    Sie treibt es weit; doch wär’s ihr wohl am liebsten,
    Würd’ sie durch einen zweiten Brief geärgert.
    Lucetta geht ab.
    Julia
.
    Nein, könnte mich derselbe Brief nur ärgern!
    Verhaßte Finger, Liebesschrift zerreißt ihr?
    Mordsücht’ge Wespen, saugt des Honigs Süße
    Und stecht zu Tod die Biene, die ihn gab? –
    Zur Sühnung küss’ ich jedes Stück Papier.
    Sieh’ – güt’ge Julia – hier; ungüt’ge Julia!
    Und so, um deinen Undank zu bestrafen,
    Werf’ ich den Namen auf den harten Stein
    Und trete höhnend so auf deinen Stolz. –
    Oh! sieh, hier steht – der liebeswunde Proteus –
    Oh! Armer du! Mein Busen, wie ein Bett,
    Herberge dich, bis ganz die Wunde heilte;
    Und so erprüf’ ich sie mit heil’gem Kuß. –
    Doch zwei-, dreimal steht Proteus hier geschrieben.
    Still, guter Wind, entführe mir kein Stückchen,
    Bis jedes Wort des Briefs ich wieder fand.
    Nur meinen Namen nicht; den trag’ ein Sturm
    Zu einem furchtbar zackig schroffen Fels
    Und schleudr’ ihn dann ins wilde Meer hinab! –
    Sieh, zweimal hier sein Nam’ in einer Zeile –
    Der arme Proteus, Proteus, gramverloren, –
    Der süßen Julia. – Nein, das reiß’ ich ab;
    Doch will ich’s nicht, da er so allerliebst
    Ihn paart mit seinem schwermutsvollen Namen;
    So will ich einen auf den andern falten:
    Nun küßt, umarmt euch, zankt, tut, was ihr wollt!
    Lucetta kommt zurück.
    Lucetta
.
    Fräulein, zur Mahlzeit, Euer Vater wartet.
    Julia
.
    Gut, gehn wir.
    Lucetta
.
    Wie, laßt Ihr die Papier’ als Schwätzer liegen?
    Julia
.
    Hältst du sie wert, so hebe sie gut auf!
    Lucetta
.
    Schlecht nahmt Ihr’s auf, da ich sie niederlegte;
    Doch soll’n sie fort, daß sie sich nicht erkälten.
    Julia
.
    Ich seh’, du hast zu ihnen ein Gelüst.
    Lucetta
.
    Ja, sagt nur immer, was Ihr meint zu sehn;
    Auch ich seh’ klar, denkt Ihr schon, ich sei blind.
    Julia
.
    Komm, komm! Beliebt’s hinein zu gehn?
    Sie gehn ab.
    ¶

Dritte Szene
    Zimmer.
    Antonio und Panthino treten auf.
    Antonio
.
    Panthino, sprich, mit welcher ernsten Rede
    Hielt dich mein Bruder in dem Kreuzgang auf?
    Panthino
.
    Von Proteus, seinem Neffen, Eurem Sohn.
    Antonio
.
    Doch was von ihm?
    Panthino
.
    Ihn wundert, daß Euer Gnaden
    Daheim ihn seine Jugend läßt verbringen;
    Da mancher, der geringer ist als Ihr,
    Den Sohn auf Reisen schickt, sich auszuzeichnen;
    Der, in den Krieg, um dort sein Glück zu suchen;
    Der, zur Entdeckung weit entlegner Inseln;
    Der, zur berühmten Universität.
    Er meint, daß einer, ja selbst all die Wege
    Dem Proteus, Eurem Sohne, wohl geziemen;
    Mir trug er auf, es Euch ans Herz zu legen,
    Daß Ihr ihn länger nicht daheim behaltet;
    Er würd’ es einst im Alter noch beklagen,
    Hätt’ er die Welt als Jüngling nicht gesehn.
    Antonio
.
    Nun, dazu darfst du mich nicht eben drängen,
    Worauf ich schon seit einem Monat sinne.
    Wohl hab’ ich selbst den Zeitverlust erwogen,
    Und wie er ein vollkommner Mann nicht ist,
    Eh’ ihn die Welt erzogen und geprüft;
    Erfahrung wird durch Fleiß und Müh’ erlangt
    Und durch den raschen Lauf der Zeit gereift;
    Doch sprich, wohin ich ihn am besten sende.
    Panthino
.
    Ich denk’, Eu’r Gnaden ist nicht unbekannt,
    Wie jetzt sein Freund, der junge Valentin,
    Am Hof dem Kaiser seine Dienste widmet.
    Antonio
.
    Ich weiß es wohl.
    Panthino
.
    Ich mein’, Euer Gnaden sollt’ ihn dahin senden;
    Dort übt er sich im Stechen und Turnieren,
    Hört fein Gespräch, bekannt wird er dem Adel,
    Und so wird jede Übung ihm geläufig,
    Die seiner Jugend ziemt und seinem Rang.
    Antonio
.
    Dein Rat gefällt mir; wohl hast du’s erwogen;
    Und daß du siehst, wie sehr er mir gefällt,
    Soll’s deutlich dir durch die Vollstreckung werden.
    So will ich gleich denn mit der schnellsten Eile
    Alsbald ihn an des Kaisers Hof verschicken.
    Panthino
.
    So hört, daß morgen Don Alphonso reist
    Mit andern jungen Herren hohen Ranges,
    Dem Kaiser ihre Huldigung zu bringen
    Und ihren Dienst dem

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